: „Unterm Strich kommt die Industrie gut weg“
■ Die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt, sieht in der ökologischen Steuerreform einen Erfolg. Die Mängel sollen jedoch in den kommenden Jahren nachgebessert werden
taz: Frau Hustedt, der Gesetzentwurf für die Ökosteuer ist so gut wie fertig. Eine dezidiert grüne Handschrift trägt er nicht.
Michaele Hustedt: Das sehe ich nicht so. Es ist zwar nicht das herausgekommen, was wir maximal gewollt haben. Aber nach 15 Jahren Diskussion über die ökologische Steuerreform haben wir nun den Einstieg geschafft – und das schon im Hunderttageprogramm. Das ist ein Erfolg.
Bei der sehr zaghaften Besteuerung der Wirtschaft hat sich aber offenbar die SPD durchgesetzt.
Aber im Gegensatz zu allen anderen europäischen Ländern, die schon vor uns eine Ökosteuer eingeführt haben, haben wir es schon im ersten Schritt geschafft, die Industrie miteinzubeziehen.
Ein Teil der Wirtschaft wird aber doch belohnt. Bei Einzelhandel und Dienstleistern spielen Energiekosten kaum eine Rolle, durch die Senkung der Lohnnebenkosten sparen sie aber.
Unterm Strich kommt die Industrie gut weg: Sie zahlt zwei Milliarden von den 11,9 Milliarden Mark, die aufgebracht werden sollen, bekommt aber sechs Milliarden zurück.
Der starke Druck der Wirtschaft entstand vor allem durch die glatte Front: Alle Verbände haben die Ökosteuer verteufelt. Warum haben Sie nicht versucht, das aufzubrechen, indem sie die Vorteile für einzelne Branchen deutlicher gemacht haben?
Die Industrie muß sich selber zu Wort melden, für die Politik ist es schwer, ihr da Vorschriften zu machen. Wenn sich der BDI von der energieintensiven Industrie die Worte einflüstern läßt, kann man nicht viel dagegen tun.
Nun zahlt der Verbraucher den Großteil der Ökosteuer.
Es geht auch um den Lenkungseffekt. Die privaten Verbraucher und die normale Industrie sind diejenigen, die in der Vergangenheit am wenigsten darüber nachgedacht haben, wie sie ihre Energiekosten reduzieren können. Da muß man etwas tun. Die energieintensive Industrie mit 20, 30 Prozent Energiekostenanteil hat einen zusätzlichen Anreiz, Energie zu sparen, weniger nötig.
Rentner, Arbeitslose und Sozialhilfebezieher zahlen künftig mehr für Strom und Benzin, bekommen aber nichts zurück.
Rentner und Arbeitslose profitieren auch von der Senkung der Lohnnebenkosten, weil die Renten und das Arbeitslosengeld an den Nettolohn geknüpft sind.
Das macht sich aber frühestens nach einem Jahr bemerkbar.
Wir steigen jetzt ein in ein völlig neues System, es ist der allererste bescheidene Schritt, der muß noch zehnmal wiederholt werden, bis wir das System sozial und ökologisch überholt haben.
Sozialhilfebezieher werden aber auch dann nicht profitieren.
Unser Vorschlag war auch, das Wohngeld aufzustocken. Da war aber die SPD dagegen. Beim nächsten Schritt wird es wieder auf dem Plan stehen.
Diese nächsten Schritte wurden bislang nicht konkretisiert.
Wir wollen drei Schritte machen, die je 0,8 Prozentpunkte Entlastung bringen. Und sie werden im nächsten und übernächsten Jahr stattfinden. Noch offen ist in der Tat die Ausgestaltung.
Werden die Ausnahmen getilgt?
Ob das schon im zweiten Schritt passiert, müssen wir noch entscheiden. Interview: Beate Willms
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