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"Schule muß flexibler werden"

■ Peter Schuster, schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, fürchtet zunehmende "Prüfungsfixierung" durch die von Schulsenatorin Stahmer (SPD) geplante Reform des Schulgesetzes

taz: In welcher Verfassung befinden sich die Berliner Schulen derzeit?

Peter Schuster: Im großen und ganzen ist die Schullandschaft positiv zu bewerten, weil wir eine Vielzahl von schulischen Angeboten haben. Aber: Wir haben einen großen Reformstau. Die Qualität von Schule ist sehr unterschiedlich und auch nicht sehr transparent. Es gibt außerdem die Erwartung von Eltern, daß Schule flexibler werden muß. Darauf müssen wir reagieren. Zum Beispiel müßte die individelle Durchlaufzeit verändert werden. Eine Klasse zu Überspringen ist bisher noch ein Wahnsinnsunternehmen, an das sich kaum jemand rantraut. Wir hinken auch beim jahrgangsübergreifenden Unterricht hinterher.

Ist der Entwurf für ein Schulgesetz aus dem Hause der Schulsenatorin Stahmer dazu geeignet, den Reformstau aufzulösen?

Das Gesetz brauchen wir, weil die jetzigen Schulgesetze schon sehr alt sind. In einem Teil des neuen Gesetzentwurfs geht es um größere Autonomie von Schule, also um mehr Selbständigkeit im pädagogischen und finanziellen Bereich. Es wird dort gesetzlich genau geregelt, welche Kompetenzen die Schule zusätzlich bekommt. Die Schulaufsicht muß dagegen Aufgaben abgeben. Zum Beispiel soll zukünftig der Schulleiter Klassenfahrten genehmigen und nicht das Schulamt. Die Mitbestimmung der Eltern, Schüler und Lehrer soll insgesamt gestärkt werden. Außerdem wird für mehr Transparenz gesorgt. Jede Schule muß ihr eigenes Profil erstellen, das dann intern und extern evaluiert wird. Das ist in anderen Bundesländern längst gang und gäbe.

Gibt es auch Punkte an dem Entwurf, die Sie nicht für sinnvoll halten?

Es handelt sich bisher lediglich um einen Diskussionsentwurf der Schulsenatorin, der in der Stadt von allen Beteiligten diskutiert werden soll. Erst nach einer Diskussionsphase bekommt er seine endgültige Form.

Doch vom jetzigen Stand der Dinge kritisiere ich, daß das Grundschulgutachten für die Oberschule zukünftig verbindlicher sein soll. Auch bin ich gegen zentrale Prüfungen nach der 10. Klasse. Sonst aber finde ich Prüfungen durchaus sinnvoll, dann wird der Abschluß solider. Es sollte aber keine Prüfungsfixierung erzeugt werden, weil sich der Unterricht dann nur noch danach richtet. Auch der Vorschlag, den Schulleiter sehr stark zu machen, so daß er Dienstvorgesetzer der Lehrer wird, ist nicht sinnvoll.

Wann wird der Entwurf zum Gesetz?

Ich glaube nicht, daß der Entwurf noch in dieser Legislaturperode ins Abgeordnetenhaus kommt. Spätestens in einem halben Jahr wird der Wahlkampf voll entbrannt sein, und da wird es schwierig sein, noch ein Gesetz durchzubringen. Auch deshalb, weil die CDU ihr eigenes Schulgesetz kreiert hat, in dem es viele Punkte gibt, mit denen wir nicht übereinstimmen. Zum Beispiel, den Religionsunterricht zum Wahlpflichtfach zu machen. Interview: Julia Naumann

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