: „Die Partei hat immer recht“
■ Prozeß gegen Journalisten, der Zeitungsartikel über ein „politisch reines Buch“ über den PDS-Buchhändler Baltruschat geschrieben hat
Derzeit erlebt ein alter SED- Parteitags-Ohrwurm aus den 70er Jahren ein Revival: „Die Partei hat immer recht“. Auslöser sind die Querelen um ein Buch, das Anfang des Jahres in der edition ost erschienen ist: „Sehnsucht nach Unfreiheit. Der Fall Kay Diesner und die rechte Szene“ von Laura Benedict. Darin werden die privaten und politischen Hintergründe des Nazi-Terroristen beschrieben, der im Februar vergangenen Jahres den Marzahner PDS-Buchhändler Klaus Baltruschat durch mehrere Schüsse schwer verletzte und später einen Polizisten kaltblütig erschoß.
Was sich seit Erscheinen des Buches abspielt, ist Stoff für eine Politsatire aus alten Zeiten. Nachdem eine Palette mit der Erstauflage angeblich dem Regen zum Opfer gefallen war, erfuhr die Autorin aus einem Schreiben von Verlagsleiter Frank Schumann, daß das sein Gutes habe: „Die Tatsache, daß wir das Buch noch einmal drucken müssen/können, betrachte ich jedoch als eine Art Gottesgeschenk, da es von verschiedener Seite (Baltruschat, Pau, Dost (PDS-Anwalt, Anm. d. Red.) massive Kritik gab, auf die wir zum Teil reagieren können.“ Der ehemalige Reporter der parteitreuen Jungen Welt bestätigte der Autorin zwar, korrekt gearbeitet zu haben, doch daß es „ein moralisches Problem“ gebe. So habe Baltruschat „sauer reagiert“, weil seine IM-Tätigkeit in dem Buch erwähnt wurde. „MfS-Bezug entfernen“, schrieb der PDS-Buchhändler neben weiteren Änderungswünschen an den Verlag, die zum Teil in der zweiten Auflage Berücksichtigung fanden.
„Das ist ein Unding“, dachte sich der Berliner Journalist und Rechtsextremismus-Experte Burkhard Schröder und schrieb mehrere Artikel über das nunmehr „politisch reine Buch“. Zudem wußte der Journalist von der Autorin, daß auch die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau massiv Kritik geübt habe, weil in der ersten Auflage der Drohbrief eines anonymen Nazis abgedruckt war, der, so Schröder, einen „Hinweis auf ihre sexuelle Orientierung“ zulasse. In der zweiten Auflage ist das Flugblatt nicht mehr enthalten.
Nachdem sich zwei Zeitungen verpflichtet haben, derlei Äußerungen in Zukunft zu unterlassen, prozessiert die PDS nun gegen Schröder, der an seinen Recherchen festhält. Gestern befaßte sich das Landgericht mit der Frage, ob die PDS Einfluß auf das Buch genommen habe. Während Schröder das Verhalten der PDS als Versuch wertet, „einen ihnen unbequemen Journalisten mundtot zu machen“, fühlt sich ausgerechnet die PDS an „alte SED-Praxis“ erinnert. Die Äußerungen des Verlagsleiters an die Autorin seien „nur allgemeiner Natur in einem Nebensatz“, so der PDS-Anwalt. Weil Schröder aus Gründen der Journalistenehre eine außergerichtliche Einigung ablehnt, wird sich das Gericht demnächst ausführlicher mit den Hintergründen befassen müssen. Barbara Bollwahn de Paez Casanova
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