piwik no script img

■ VorlaufWider den Rückfall

„Mit 13 hinter Gittern“, 20.15 Uhr, Arte

Pflichtgucken für alle. Insbesondere aber für die, die sich künstlich aufregen, wenn ein Richter jugendliche Übeltäter wie Crashkid Denis nicht gleich jahrelang einmauert, sondern Erziehungstherapie anordnet, oder Projekte wie die „Jugendvilla“ in Hamburg-Tonndorf dichtmachen lassen. In ihrer Reportage über das Jugendgericht im Pariser Stadtrandghetto Bobigny zeigen Agnieszka Ziarek-Deniau und Frédéric Vassort, wie man mit dem Grundsatz „Erziehung statt Strafe“ erfolgreich Ernst macht. Die Rückfallquote liege bei sieben Prozent – gegenüber 35 Prozent im französischen Durchschnitt und nahezu 80 Prozent junger Ex-Knackis in Deutschland. Der stellvertretende Staatsanwalt Joel Michaud nennt dafür die Handlungsmaxime, die das Vorurteil von den falschen Samthandschuhen einmal mehr widerlegt: Zwar ist die persönliche Betreuung in Bobigny oberstes Gebot, dazu müsse man sogar „immer gleich mehrere verschiedene Lösungen parat haben“ und vor allem „schnell handeln, damit der Jugendliche nicht glaubt, es gäbe irgendeinen Spielraum für seine krummen Dinger“. Gut 1.000 Klienten liefen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in Bobigny auf.

Nach der Verhaftung dauert es meist keine zwei Stunden, bis beispielsweise der bullige Sozialarbeiter Gil Barthélemy in der kargen Minizelle auftaucht und den 17jährigen Bob ins Gebet nimmt. Eine Stunde später sitzt Bob vor dem Jugendrichter. Der verfügt „richterliche Aufsicht“ mit Meldepflicht und Ausgehverbot insbesondere nach 20 Uhr – eine Art Bewährungschance bis zur späteren Urteilsfindung. Ein Verstoß zieht automatisch Knast nach sich. Das wirkt. Um 18 Uhr ist Bob wieder frei. Andere Beispiele folgen. „Geheilte“ Ex-Bobigny-Kunden berichten. Für mehr reichte die Zeit nicht. Schade. Zusammen mit dem „Schimanski“ vom vergangenen Sonntag und einem Interview mit dem Jugendkriminologen Christian Pfeiffer hätte daraus ein wunderbarer Themenabend werden können. Ulla Küspert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen