Oscar guy

Seit seinem Oscar gilt Elliott Smith als Vorzeige-Songwriter der „Wood-chuck Nation“  ■ Von Felix Bayer

Es hätten auch andere sein können. Doch eine Verkettung glücklicher Zufälle hat Elliott Smith, einen Endzwanziger aus Portland ohne Hipster-Instinkt, zu dem Singer/Songwriter gemacht, den in diesem Jahr vom Fanzine bis zur Erwachsenen-Rockpresse alle bejubeln. Den Unterschied machte die Sache mit der Oscar-Nominierung.

Die meisten Menschen sähen etwas fehl am Platze aus im gleißenden Corporate-Glamour-Licht der Oscar-Verleihung. Aber es war nun mal Elliott Smith, der da im März Hand in Hand mit Celine Dion und der Country-Sängerin Trisha Yearwood stand. Sein Kumpel, der Regisseur Gus van Sant, hatte ihn gebeten, ein Lied für seinen Film Good Will Hunting zu schreiben. Und so, wie der Film ein überraschend großer Erfolg wurde, wurde auch Smiths Ballade „Miss Misery“ von Menschen entdeckt, die bis dato mit Folk-Sängern, die früher in Punkbands sangen, wenig am Hut hatten. Darunter war das Oscar-Komitee. Es folgte die Nominierung für den besten Song, ein Auftritt vor Millionen Fernsehzuschauern und eine bleibende Zuschreibung: „That weird Oscar guy“.

Der englische Musikjournalist Ben Thompson beschreibt in seinem glänzenden Neunziger-Rückblick Seven Years Of Plenty den Rückzug von mit Punk und Hardcore aufgewachsenen amerikanischen Musikern in Einzelgängertum und Rückbesinnung auf traditionelle Musik wie Folk oder Blues als Reaktion auf den Erfolg von Nirvana. Einerseits war deren Sound-Vorstellung nicht mehr zu toppen, andererseits wollte man nicht mit „Grunge-Mode“ identifiziert werden. Ob Palace Brothers, Smog, Vic Chesnutt oder Lambchop, von denen sich Thompson den zusammenfassenden Begriff „Woodchuck Nation“ ausborgt – sie alle hätten „that weird Oscar guy“ geben können. Wie sie ist auch Elliott Smith mit Indie-Rock und Hardcore aufgewachsen, seine Punkband Heatmiser bekam im Post-Nirvana-Einkaufswahn auch einen kurzlebigen Majorlabelvertrag.

Aber vielleicht wäre bei den Bands der „Woodchuck Nation“ weniger Begeisterung gefolgt, als sie Smith nun umschwirrt, vielleicht wären sie dafür doch zu eigenbrötlerisch gewesen. Smith hingegen hat, selbst wenn er von Einsamkeit und Scham singt, stets seine sanfte Stimme und einen Blick für die freundliche Melodie. Nach drei überwiegend akustischen Alben für Indie-Labels ist seine erste Soloplatte für ein Major eingebettet in Gesangsharmonien, Streicher und Orgeln, die ihm Vergleiche mit den kanonischen Popgrößen einbrachten.

Im Konzert läßt sich Smith von der eigenen Vorgruppe Quasi begleiten. Der Keyboarder Sam Coomes, Smiths ehemaliger Bandkollege bei Heatmiser, und Sleater-Kinney-Schlagzeugerin Janet Weiss haben gerade eine euphorische Indie-Pop-Platte veröffentlicht. Mit deren Unterstützung wird Elliott Smith alle Skepsis um den Oscar-Hype zerstreuen. Und wenn er kein Popstar wird, wird er noch viele melancholische Platten aufnehmen. Für die „weird Oscar guy“-Kuriosität sind seine Lieder nämlich zu gut.

mit Quasi: Mo, 23. November, 21 Uhr, Logo