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Vom Brett zur High-Fidelity

Im HEW-„Museum der Elektrizität“ wird der Weg vom Radio, Marke Eigenbau, zur Hifi-Anlage anschaulich  ■ Von Jakob Michelsen

Am Anfang war ein Brettchen, auf dem einige Bauteile befestigt waren. Damit begann vor 75 Jahren, am 29. Oktober 1923, in Berlin der Empfang des ersten regelmäßigen Rundfunkprogramms; gut sechs Monate später, im Mai 1924, nahm in Hamburg die NORAG (NordischeRundfunk AG) den Sendebetrieb auf. Im electrum, dem von den Hamburgi-schen Electri-citätswerken (HEW) betriebenen „Museum der Elektrizität“, wird der Weg vom Radio Marke Eigenbau, zur Hifi-Anlage anschaulich. Museumsmitarbeiter Dietrich Bestmann, der die Rundfunkabteilung betreut, ist selber begeisterter Radiosammler. Oft und gerne führt er Schulklassen durch die Geschichte der technischen Ton- und Sprachübermittlung.

Da ist der um 1870 von Thomas Alva Edison erfundene Phonograph, der Töne auf einer Wachswalze speicherte und wie ein Uhrwerk aufgezogen wurde. Da gibt es die ersten elektrisch betriebenen Grammophone, und auch kuriose Seitenwege der Technikgeschichte fehlen nicht. Wer kennt noch die „Schallbänder“ der Firma TEFI aus den 50er Jahren? Auf diesen Bändern mit eingepreßten Rillen, gewissermaßen Schallplatten in Bandform, konnte Musik als Endlosschleife abgespielt werden. „Da die Firma im Rheinland ansässig war, bestand ein großer Teil des Repertoires aus weinseligen Schunkelliedern“, schmunzelt Bestmann. Nachteil: Auf die Bänder konnte nichts aufgenommen werden. Bereits Ende der 50er Jahre verschwanden sie wieder aus den Läden.

Ungebrochen populär hingegen blieb das Radio, besonders, wenn es nichts kostete. Zwar waren 1924 in Deutschland bereits etwa 100.000 – gebührenzahlende – HörerInnen registriert, doch viel größer, erzählt Bestmann, war die Zahl jener, die „schwarz“ mithörten. Sich Zugang zum Äther zu verschaffen, war nicht aufwendig. Es genügten ein Draht, der als Antenne beispielsweise an die Regenrinne angeschlossen wurde, eine selbstgewickelte Drahtspule, ein Kristall mit Nadel und ein Kopfhörer – fertig war der „Detektorempfänger“. Bald machten Radioröhren den Kopfhörer überflüssig, und der Ton wurde durch Tischlaut-sprecher verstärkt. Kompakte Geräte, bei denen die Einzelteile in ein Gehäuse aus Holz oder Bakelit integriert waren, konnten sich nur wenige leisten. Die wurden erst mit dem „Volksempfänger“, der ab 1933 Goebbels' Propaganda in jeden Winkel des Reichs bringen sollte, erschwinglich. Gleichzeitig avancierte im bürgerlichen Heim das Radio zum repräsentativen Möbel mit Säulchen oder Ornamenten vor der Lautsprechermembran.

Staatlich zensiert wurden die Programme schon während der Weimarer Republik. Aus den Reihen des „Arbeiter-Radiobundes“, der auch in Hamburg mehrere Ortsgruppen besaß, wurde daher die Forderung nach einem eigenen Arbeitersender laut. Durchsetzen ließ sich das nicht: Der kommunistische „Freie Arbeiter Radiobund Deutschland“, der sich 1929 abspaltete, traf sich statt dessen zum Abhören von Radio Moskau.

Am kommenden Samstag von 9 bis 13 Uhr treffen sich LiebhaberInnen alter Radios im electrum, Klinikweg 23, zu einer „Radio-Oldtimer-Börse“.

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