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■ Innenminister Schily will, daß Polizisten Ladendiebe und Schwarzfahrer nicht nur erwischen, sondern ihnen auch ein Strafgeld aufbrummen dürfen. Die Polizeigewerkschaft hält nichts davon
Bonn (taz) – Die Polizei soll künftig ertappte Ladendiebe und Schwarzfahrer an Ort und Stelle mit einem „Strafgeld“ belegen. Dieser Plan der Bundesregierung rief gestern bei Politikern, Juristen und Polizisten gegensätzliche Reaktionen hervor. Auslöser der Debatte war Innenminister Otto Schily (SPD), der am Dienstag auf der Jahrestagung des Bundeskriminalamtes gefordert hatte, die Polizei müsse bei der Verfolgung von Kleinkriminalität mehr Selbständigkeit erhalten. Dazu gehört für Schily das Recht der Polizei „zur eigenen schnellen und wirksamen Sanktionierung – etwa in Form von Strafgeldern.“ Bisher darf die Polizei lediglich Ordnungswidrigkeiten selbst ahnden. Ladendiebstahl und Schwarzfahren sind aber Straftaten und werden von der Staatsanwaltschaft bearbeitet. Eine Entkriminalisierung sogenannter „Massendelikte“ wie Schwarzfahren und Ladendiebstahl lehnt Schily ab.
Auch Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) befürwortet den Plan, daß Polizisten Strafgelder verlangen dürfen. Generell fordert die Ministerin gerade für Ladendiebe verwaltungsarme Ahndungsformen. Heute herrsche der Mißstand, daß viele Ladendiebstähle wegen knapper Resourcen nicht geahndet würden. Das Strafgeld komme allerdings nur bei einem verursachten Schaden von weniger als 150 oder 100 Mark in Betracht. Däubler-Gmelin erwägt, der Polizei verhängte Strafgelder für Präventionsvorhaben zur Verfügung zu stellen.
Auf Widerspruch stieß Schilys Vorschlag bei den Grünen. Der rechtspolitische Sprecher Volker Beck erklärte, SPD und Grüne hätten sich zwar in der Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, Alltagskriminalität bürokratiearm zu bekämpfen. Dabei dürften aber die Zuständigkeiten von Polizei und Justiz nicht vermischt werden.
Die Gewerkschaft der Polizei (GDP) lehnt die Vorschläge des Innenministers „strikt ab“. Die Gewaltenteilung dürfe nicht aufgeweicht werden, sagte der Vize- Chef der GDP, Konrad Freiberg, in einem Zeitungsinterview. Weder in der Gesellschaft noch in der Polizei gebe es Akzeptanz für „Polizisten als Ersatzrichter“. Die ohnehin völlig überlastete Polizei wäre mit diesen neuen Aufgaben überfordert, fürchtet Freiberg. Dagegen sprach der Bund Deutscher Kriminalbeamter von einer „richtigen Idee“. Robin Alexander
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