Spätes Coming-out

■ Friedhelm Kändler mit dem Langgedicht „Kröhlmann“ im Café-Theater Schalotte

Dichterlesungen haben, zumal wenn's um Gereimtes geht, gewöhnlich etwas leicht Abgehobenes und einen Hauch von heiligem Ernst. Friedhelm Kändler stellt sich gleich als Dichtergott auf die Bühne, zumindest verleitet sein schneeweißes, flatterndes Gewand zu derlei Assoziation. Kändler, der Reimvirtuose, der in keine Schublade zu kriegen ist und zu Recht und verdientermaßen inzwischen in einem Atemzug mit Robert Gernhardt, Joachim Ringelnatz und Ernst Jandl genannt wird, lädt zur Dichterlesung. Und er macht daraus – irgendwie bei ihm eigentlich auch zu erwarten – gleich eine ganze Show.

Denn Kändler ist nicht einfach bloß Dichter, sondern vor allen Dingen vielseitig gefragter Textlieferant für alle Sparten der Kleinkunst. Seine Chansons, Kurzszenen und Nonsenstexte haben etwa in Berlin beim Wort- und Balljongleur Marcus Jeroch, beim Duo Schall & Hauch als auch bei Chansonette Martina Brandl eifrige Interpreten gefunden.

„Kröhlmann“, ein Langgedicht in 21 Kapiteln, hat der 50jährige ganz für sich allein geschrieben. Was er nun, musikalisch und spielerisch unterstützt durch Christian Wolf und Jan Fritsch, auf die Bühne packt, ist die ziemlich komische, bisweilen ins Philosophieren geratende Geschichte eines etwas dicklichen, bärtigen, heimlich femininen Kröhlmanns, der erst spät seine Liebe fürs eigene Geschlecht entdeckt. Kändler, der Garant für absurde Sprachscherze und feinsinnige Reime, hat sich eines anderen Großen seiner Heimatstadt Hannover erinnert und ihm gewissermaßen mit „Kröhlmann“ Reverenz erwiesen.

Mit artigen Paarreim à la Wilhelm Busch scherzt denn Kändler über Kröhlmanns Liebesleid und verzwickten amourösen Erfahrungen. Und Kändler liest nicht einfach, er spielt ihn. Er rappt und singt, ist mal theatralisch und dann ganz würdevoller Dichter. Sein Gewand weht über die Bühne, und die Haare stehen ihm, kunstvoll hochtoupiert, wie ein Einhorn. Seine Musiker liefern auf einem Dutzend Instrumenten den Soundtrack zur Show, müssen mal Gogo- Boy Holger, der heiße Schwarm des Kröhlmann, und dann auch mal bloß Büttel und Mikrofonhalter Kändlers sein.

Max & Moritz sind dagegen ziemlich lahme Gestalten. Axel Schock

Heute und morgen ab 20 Uhr, Café-Theater Schalotte, Behaimstr. 22. „Kröhlmann“ ist erschienen im Revonnah Verlag, Hannover