Kampf für die Befreiung der schwarzen Massen

■ Die südafrikanische Autorin und Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer wird heute 75 Jahre

„Meine Heimat ist Südafrika, und ich bin eine weiße Afrikanerin“, hat die Schriftstellerin Nadine Gordimer einmal gesagt. 1991 erhielt die weiße Afrikanerin den Nobelpreis für Literatur. Bis heute ist sie eine Schriftstellerin von Weltrang. Ihre Bücher wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt, und sie erhielt zahlreiche renommierte Preise. Die Standortbestimmung, wo Südafrika heute, acht Jahre nach der Freilassung Nelson Mandelas, vier Jahre nach den ersten demokratischen Wahlen, steht, bestimmt ihre jüngeren Werke. Heute feiert Gordimer ihren 75. Geburtstag.

In ihrem jüngsten Roman „The House Gun“ („Die Hauswaffe“) stellt ein weißes Elternpaar fest, daß ihr Sohn einen sinnlosen Mord begangen hat. Er wird von einem schwarzen Anwalt verteidigt, und auch daran können sich die Eltern nur schwer gewöhnen – neue Realität in Südafrika. Realität ist allerdings auch die allgegenwärtige Gewalt, die der Roman behandelt.

Immer hat die Politik Gordimer Themen geliefert, auch wenn sie sich wehrt, als politische Schriftstellerin bezeichnet zu werden. Geboren 1923 in Springs bei Johannesburg als Tochter jüdischer Einwanderer, war ihr gesamtes Leben von der Apartheid geprägt. Gordimer prangerte in ihren Romanen die Unmenschlichkeit des Regimes an, oft sozialpädagogisch, ohne aber agitatorisch zu werden.

Schon als Elfjährige schrieb sie ihre erste Kurzgeschichte, mit 20 veröffentlichte sie ihren ersten Roman „Entzauberung“. Die kleine hagere Frau machte die „Befreiung der schwarzen Massen“ zu ihrem Thema, zum Entsetzen vieler Weißer, denen sie ihre Privilegien vorhielt. Für das Regime wurde sie zur Persona non grata, einige ihrer Bücher landeten auf der Zensurliste. Daß sie 1990 nach dessen Wiederzulassung auch noch in den ANC eintrat und mit dessen radikalem Flügel sympathisiert, macht sie vielen noch suspekter. Eine Kandidatur fürs erste gemischtrassige Parlament lehnte sie ab. Heute macht es sie ungeduldig, wenn die Weißen in Südafrika beklagen, daß unter der schwarzen Regierung alles schlechter werde. „Früher ging alles schlecht, und jetzt geht vieles besser“, kontert sie. Aber sie gesteht auch, daß es mindestes eine Generation brauchen wird, um Armut und Ungleichheit beseitigen. Seit Juli ist sie Sonderbotschafterin des UNO-Entwicklungsprogramms, mit dem weltweit Armut bekämpft wird. Kordula Doerfler