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Angenehm trockene Tragödie

■ „Die Ballade von Garuma“ wagt Ambivalenz und Humor – und gewinnt

Ein lateinamerikanischer Straßenjunge steigt zum Fußballstar auf, verliert dabei aber Freunde und Familie. Eine traurige Geschichte aus der Dritten Welt – gespielt für das schicke hanseatische Publikum. Diese absurde Situation ist nur zu retten, wenn man sie offensiv angeht, so wie Franziska Steiof in ihrer Inszenierung der Ballade von Garuma, die am Donnerstag auf Kampnagel Premiere hatte.

Wenn sich Matthias Fuhrmeister als Pico vor Hunger theatralisch auf dem Boden windet, muß man das, was man bei diesem Stoff am wenigsten erwartet hätte: lachen. Die Szene mit den jugendlichen Prostituierten hingegen, die von hinten gefickt werden (anders kann frau es nicht nennen), hinterläßt einen Kloß im Hals. Steiof und ihrer Crew gelingt die Mischung aus einem Hineinziehen der Zuschauer in die Handlung und dem unvermittelten Zurückstoßen in die Realität eines Theatersaals.

Verena Unbehaun als Erzählerin verkörpert diese Ambivalenz eindringlich, nicht zuletzt durch ihre hervorragende Singstimme. Auch Thomas Bammer in der Rolle des Garuma erweicht einem zuweilen gekonnt das Herz; einen Augenblick später ist er nur noch abstoßend in seiner neureichen Arroganz. Die schnittige Choreographie von Gudrun Nehlsen und die schnellen Fußballszenen schließlich bringen den nötigen Drive.

Ein Stück – auf keinen Fall nur für Jugendliche – das dem Publikum keinen schnellen Aha-Effekt mitgibt, sondern Fragen zu eigenen Zielen und Zugeständnissen provoziert, die naturgemäß so schnell nicht zu beantworten sind .

Heike Dierbach

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