: Silikon mit tödlicher Folge?
■ Mußte eine Frau sterben, weil Ärzte den Krebs unter ihrem Silikoneinsatz in der Brust übersahen? Der verwitwete Ehemann will die Öffentlichkeit aufrütteln: „Sowas darf nicht wieder geschehen“
Karlheinz Walscher* hat einen schlimmen Verdacht. Den Krebstod seiner Frau vor wenigen Wochen stellt er in engsten Zusammenhang mit deren Silikon-Brust-implantat. „Man hat den Tumor dahinter ein dreiviertel Jahr lang nicht erkannt.“ Monatelang hatte seine Frau an einer linksseitigen Teillähmung und großen Schmerzen gelitten – doch die Ärzte fanden die Ursache nicht. Als sie schließlich eine Krebsmetastase dicht am Rückenmark entdeckten, war der 54jährigen schon nicht mehr zu helfen. „Einen Primärtumor, von dem die Metastase abstammt, haben sie nie gefunden.“ Walscher glaubt, den Krebsherd jetzt entdeckt zu haben.
Die vom Witwer beauftragten Pathologen am Zentralkrankenhaus Nord haben nämlich hinter dem Silikonimplantat, das Marianne Walscher* vor 18 Jahren nach einer größeren Brustkrebsoperation eingesetzt bekam, einen bislang unerkannten Tumor entdeckt. Jetzt macht Walscher sich Vorwürfe, nicht auf dem „Ausbau“ des Silikonkissens bestanden zu haben, als die Schmerzen seiner Frau begannen. „Sie litt unter typischen Silikon-Krankheiten“, sagt er heute. Doch vor einem Jahr ahnte der Ingenieur von den langen Symptomlisten, die deutsche Selbsthilfegruppen zusammengetragen haben, noch nichts. Trotzdem hatten er und seine Frau den Arzt gefragt, ob das Implantat nicht besser entfernt werden sollte. Aber der habe nur gesagt, „die Brust sieht doch schön aus.“ Äußerlichkeiten. „Sonst hätten die Ärzte den Tumor vielleicht entdeckt und geholfen“, sagt Walscher.
Ursula Schielke, Gründerin einer neuen Bremer Selbsthilfegruppe „Frauen und Medizin“ (FuM) glaubt das sicher. Die resolute Mittfünfzigerin nennt es „einen groben Fehler, daß der Arzt ein so altes Implantat nicht sofort entfernt hat.“ Sie kennt die zahlreichen Nebenwirkungen von Implantaten teils aus eigener Betroffenheit – und auch die Sicht vieler Ärzte, nach der Silikon weder Autoimmunkrankheiten noch Brustkrebs auslöse oder befördere.
Was die Krebsnachsorge allerdings angeht, geben auch Ärzte wie Prof. Günther Trams von der Bremer St. Jürgens-Klinik zu: „Bei den klassischen Silikonimplantaten gibt es Nachteile.“ Da sei „der Ultraschall nur die halbe Wahrheit“ und auch die Mammographie nur eingeschränkt zu bewerten. Anders als die neueren, oft transparent gefüllten Silikonteile seien ältere Modelle schwer zu durchschauen. „Das ist der Fall bei meiner Frau gewesen“, sagt Walscher niedergeschlagen. Er sucht jetzt Expertenrat. „Ich will, daß anderen Frauen nicht passiert, was meiner Frau geschehen ist.“
Dafür kämpft auch die Oldenburger Rechtsanwältin Ilse Dautert. Sie bereitet Musterprozesse vor, um silikongeschädigten Frauen zu Schadenersatz zu verhelfen. „Ich habe Gutachten von Unikliniken, die schwerkranken Mandantinnen Silikonose bestätigen“, widerspricht sie der Ärztemeinung von der Unschädlichkeit des Silikons, wie sie auch die Interessenvertretung der Plastischen Chirurgen und der Gynäkologen, die „Deutsche Gesellschaft für Senologie“, in einem „Konsenspapier“ vertritt. Gerichte werden das letzte Wort haben. ede *Name geändert
Vortrag zum Thema Implantate am Montag, 20 Uhr, Uni-Gästehaus, Teerhof: Referenten sind Dr. med. H. Rudolph (Kritiker) und Dr. Bettina Pfleiderer (Dt. Röntgenpreis für Nachweis von Silikon in der Leber)
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