: Rechte Prügelknaben
■ Nach den Krawallen von Lens ist es unter Berliner Hooligans ruhiger geworden. Alle arbeiten gegen das rechte Image an – außer den Hools
„Ein Hauch von rechts“ wehe über der Fangemeinde des Berliner Erstligisten Hertha BSC, sagt Thomas Jelinski. Jelinski, Sozialarbeiter beim Fanprojekt Berlin, ist sichtlich bemüht, nicht allzu deutlich zu werden. Differenzieren müsse man zwischen Hooligans und Rechtsradikalen, und auf keinen Fall dürfe man alle Fans in die rechte Ecke stellen.
Der 65jährigen Rosa K.*, die vor rund anderthalb Jahren mitanhören mußte, wie Hertha-Fans in der U-Bahn antisemitische Parolen grölten, dürfte diese Differenzierung schwerfallen. Die jüdische Holocaust-Überlebende bekam Herzprobleme, traut sich seither an Spieltagen nicht mehr in die U-Bahn. „Es erinnerte an 1933.“ Auf einer anschließenden Krisensitzung des Jüdischen Kulturvereins Berlin hätten sich die Verantwortlichen von Hertha BSC und der Polizei „sehr bemüht“ gezeigt, erinnert sich Irene Runge. Die Sprecherin des Kulturvereins hatte in einem Brief an den Hertha-Vorstand Konsequenzen eingefordert. „Die können das nicht kontrollieren“, meint sie heute, „das einzige, was die noch machen könnten, wäre, die Fußballspiele zu verbieten. Das wäre die einzige Lösung, aber es ist keine.“
Nicht erst mit den jüngsten Ausschreitungen in der U-Bahnlinie 5 haben sich Berliner Fußballvandalen ins Licht der Öffentlichkeit geprügelt. Bei der Randale verlor Mirco C., 21, ein Bein – er hatte mit den Füßen die Seitenfenster des Waggons eingeschlagen, war aus dem Zug gezogen worden. Der Wagen wurde verwüstet. „Das war eine neue Qualität“, erklärt Thomas Jelinski. „Normalerweise machen Hooligans ein Date mit ihren Kollegen aus dem Block der gegnerischen Mannschaft aus, treffen sich zum Boxen.“ Vandalismus habe bisher nicht zum bevorzugten Zeitvertreib der Hools gezählt.
450 Hools sollen dem harten Kern der Berliner Szene angehören. Insgesamt seien sie jedoch zurückhaltender geworden, sagt Jelinski. Seit den brutalen Krawallen im französischen Lens, bei denen Berliner Hools einen Flic mit einer Eisenstange ins Koma geprügelt hatten, habe ein Denkprozeß in den Reihen der Fußballschläger eingesetzt. Ob aus Vorsicht oder aus Einsicht, vermag der Sozialarbeiter nicht zu sagen.
Als besonders auffällig gelten Anhänger des FC Berlin, von denen einige laut Jelinski auch dabeigewesen sein sollen, als nach der 0:1-Niederlage gegen Leverkusen am Mittwoch vergangener Woche der U-Bahnwaggon am Bahnhof Samariterstraße zerlegt worden war.
Organisiert ist das Gros der rechten Fans nicht. „Extrem rechte Äußerungen wie der Hitlergruß oder Sieg-heil-Rufe“ kommen trotzdem immer wieder vor. Auch verbale Angriffe gegen die Spieler der eigenen Mannschaft seien, so Jelinski, bei Hertha-BSC-Besuchern keine Seltenheit, wenn diese wie der Stürmer Alphonse Tchami nicht aus Deutschland kämen. „Diese Leute sind keiner rechten Szene zuzuordnen“, sagt Jelinski. „Hier haben sie einen Blick auf die gesellschaftliche Verfassung.“
Herthas Fanbeauftragter Michael Brodhuhn sieht in den rechten Sprüchen schlicht jugendlichen Übermut: „Jugendliche sind bekannt dafür, daß sie ihre Meinung deutlicher sagen. Die wissen meistens gar nicht, wovon sie reden.“ Rechte Fußballbesucher entzögen sich der Fanarbeit des Vereins, außerdem will man bei Hertha lieber mit den „normalen Fans“ arbeiten, um einem Abgleiten in die rechte Szene vorzubeugen. „Damit sind wir bisher ganz gut gefahren.“
335 verschiedene Fanclubs zählt Hertha BSC mittlerweile, mit 5.801 Mitgliedern. Die Namen: „HFC Preußen“, „Hansa Sturm Süd Berlin“, „Spreefront“. Die rechte Szene sei für die Fanbetreuer schwer auszumachen, sagt Brodhuhn.
Mit regelmäßigen Treffs will man auch beim Fanprojekt Berlin die Hools zum Nachdenken anregen. Nicht nur Rechte, auch ein paar Linke kämen zu den Club- Abenden, „eine gute Mischung für Diskussionen“. Finanziert wird das Projekt im Rahmen des „Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit“ zu einem Drittel vom DFB, den Rest bezahlt das Land Berlin.
Die Polizei sieht der heutigen Spitzenbegegnung trotz prekärer Sicherheitslage gelassen entgegen. „Ausreichend“ werde man vor Ort sein, kündigt Gerhard Kilian, Leiter der Direktion 2 in Berlin-Charlottenburg, lapidar an. Von Problemen mit rechten Hooligans will der Mann nichts wissen: „Jeder will mir immer einreden, Rechtsradikalismus und Hertha BSC seien identisch. Da kommen Linke, Rechte und Betrunkene.“ Ins Stadion dürfe schließlich jeder, der im Besitz einer gültigen Eintrittskarte sei. Andreas Spannbauer
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