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„Eine Kongo-Friedenstruppe ist völliger Unsinn“

■ Richard Cornwall vom Institute for Security Studies in Johannesburg und Chef des „Africa Early Warning Programme“ über die Perspektiven des Kongo und die Möglichkeit einer UN-Friedensmission

taz: Südafrikas Präsident Nelson Mandela hat eine neue Friedensinitiative für den Kongo gestartet und bemüht sich darum, mit allen beteiligten Parteien zu verhandeln. Gibt es eine friedliche Lösung für den Konflikt?

Richard Cornwall: Nein. Je mehr wir über die wirtschaftlichen und finanziellen Interessen der Verbündeten Kabilas erfahren, um so klarer wird, daß keiner von ihnen mehr eine moderate Position einnehmen kann. Sie müssen gewinnen – oder sie verlieren alles. Bei Simbabwe sind es wirtschaftliche und finanzielle Interessen vor allem an den Bergwerken, und die Regierungspartei Zanu-Pf und auch einzelne Mitglieder der Verwaltung und des Militärs sind tief verstrickt. Bei Angola geht es um die Kontrolle der Ölfelder vor der kongolesischen Küste und vor den Küsten von Cabinda und Kongo- Brazzaville.

Wenn es keine politische Lösung gibt, bleibt nur eine militärische. Wird auf Jahre hinaus Guerillakrieg geführt werden?

Das glaube ich nicht. Entscheidend ist, wie lange sich Kabila noch halten kann. Wir schätzen, daß er höchstens noch vier bis fünf Monate weitermachen kann. Ein Grund dafür ist die Regenzeit, die die Rebellen begünstigt.

Wie stark sind die Rebellen?

Unseren Informationen nach sind es etwa 7.000 bis 8.000 Soldaten, darunter auch die aus Uganda und Ruanda. Das ist weniger als auf der anderen Seite, aber die Rebellen sind in dieser Art von Kriegssituation überlegen. Ein großes Problem für die Verbündeten von Kabila ist, daß die Regierungstruppen vollkommen unzuverlässig sind. Sie haben keinerlei Sehnsucht danach, wirklich zu kämpfen. Im Zweifelsfall ziehen sie ihre Uniform aus und wechseln die Seiten, zumal sie nicht einmal ordentlich verpflegt werden. Die Simbabwer und Namibier müssen sich außerdem in vollkommen unvertrautem Gelände bewegen. Ein Soldat verbringt 80 Prozent seiner Zeit damit, seine Umgebung zu bekämpfen, und die dadurch entstehenden Ausfälle durch Tropenkrankheiten sind sehr groß.

Vor allem Simbabwe hat sich in letzter Zeit in recht großspuriger Kriegsrhetorik geübt und eine Offensive im Osten angekündigt. Kann so etwas erfolgreich sein?

Ich würde gern sehen, wie so eine Offensive aussehen soll. Sie können kein schweres Gerät verwenden im tiefen Regenwald; sie kennen das Gelände nicht. Anders als Südafrika vor vielen Jahren, als es in Angola Krieg führte, verfügt Simbabwe auch nicht über die notwendige Logistik für einen Krieg im Urwald. Im übrigen haben wir schon oft von Kabilas Seite Berichte über Offensiven im Osten gehört. Nichts davon war wahr. Die müssen aufpassen, daß sie nicht ihrer eigenen Propaganda zum Opfer fallen.

In Simbabwe selbst wächst der Unmut über die Regierung in einer Zeit, in der das Land in seiner schwersten wirtschaftlichen Krise ist. Die Gefahr ist doch groß, daß das nach hinten losgeht. Wenn Kabila fällt, fällt auch Mugabe?

Das ist sehr wahrscheinlich. Schon jetzt läuft er Gefahr, daß die Unterstützung für ihn im eigenen Land noch geringer wird, zumal wenn es die ersten ernsthaften Verluste im Kongo geben wird. Seine Armee ist in einem so desolaten Zustand, daß das sein Ende sein könnte, rein ökonomisch. Der Einsatz im Kongo kostet jeden Tag etwa eine Million US-Dollar, und das Land ist schon in einer wirtschaftlichen Krise, aus der es kaum noch einen Ausweg gibt.

In Südafrika wird über die Aufstellung einer afrikanischen Friedenstruppe für den Kongo spekuliert. Ist das realistisch?

Nein, das ist kompletter Unsinn und vorerst reines Wunschdenken. Die UNO-Truppe, die in den 60er Jahren in den Kongo gesandt wurde, war etwa 28.000 Mann stark. Über einen Zeitraum von vier Jahren waren dort etwa 100.000 Mann im Einsatz. Afrika hat nicht die Kapazitäten für so etwas. Südafrika selbst hat alle Berichte dementiert, dafür Truppen zu entsenden, und sich lediglich bereit erklärt, logistisches Material zur Verfügung zu stellen.

Sehen Sie die Möglichkeit einer UN-Friedensmission, wenn es schon keine innerafrikanische Lösung gibt?

Nein. Keine der Großmächte möchte daran beteiligt werden. Die Vorstellung, daß man Afrika politisch beeinflussen kann, hat sich als Wunschdenken erwiesen. Das gleicht dem Versuch, Wasser mit einem Sieb zu schöpfen.

Insgesamt zeichnen Sie ein sehr pessimistisches Szenario.

Die ganze Situation ist ein Desaster, und das zentrale Problem dabei ist Kabila selbst. Er und seine Verbündeten manövrieren sich immer mehr in eine Lage, aus der es kein Zurück mehr gibt. Dabei sollte sich Kabila schon einmal um sein Exil kümmern.

Was passiert, falls die Rebellen im nächsten Jahr siegen?

Vorerst müssen wir abwarten, was ihr politisches Programm sein wird. Im Moment sieht es so aus, als ob ihre Führerschaft eine Art von Nationalversammlung einberufen und ein paar demokratische Prinzipien formulieren will. Wie das mit den Sicherheitsinteressen von Ruanda, Uganda und Burundi in Einklang zu bringen ist, bleibt abzuwarten. Das wird harte Verhandlungen erfordern, aber es bleibt zu hoffen, daß es eine Form von verfassungsmäßiger Übereinstimmung geben wird, die dazu führt, daß die Macht dezentralisiert wird. Der Kongo kann nicht von einer zentralistischen Regierung verwaltet werden.

Besteht nicht die Gefahr, daß das Land dann endgültig zerfällt?

Nein, nicht unbedingt. Wenn man den Regionen mehr Autonomie einräumt, könnte der Staat als ganzer erhalten werden. Ein riesiges Problem werden allerdings die Beziehungen zu den Nachbarstaaten sein. Sollten die Rebellen die Regierung übernehmen, werden sie kaum freundschaftliche Kontakte zu Kongo-Brazzaville oder Angola haben. Schon jetzt sind auch Unita-Truppen im Kongo, und ruandische Soldaten sollen im Norden Angolas sein. Das wird aus naheliegenden Gründen dementiert, aber auch hier gilt die Regel: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

Wer in der Rebellenallianz hätte die Möglichkeit, das Land zu regieren?

Das ist sehr schwer zu sagen. Im Moment scheint es, als ob sich eine Art von kollektiver Führung herauskristallisieren wird, auch aus der Erfahrung heraus, die man mit Kabila gemacht hat. Aber ich glaube nicht, daß sie sich jetzt schon festlegen wollen: Man fängt erst den Hasen, ehe man darüber nachdenkt, wie man ihn zubereitet. Interview: Kordula Doerfler

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