Schau'n wir mal, heißt es bei den grünen Pragmatikern

■ In den Reihen von SPD und Grünen gibt es kaum jemanden, der die Neuregelung, die eigentlich keine ist, für sinnvoll hält. Weniger 620-Mark-Jobs werde es dadurch nicht geben

Wie sie die neue 620-Mark-Job- Regelung finden? Da schmunzeln sie bei den Sozialdemokraten und Grünen, lachen auch schon mal auf, und geben entspannte Urteile ab. Kaum jemand, der die neue Regelung wirklich für sinnvoll hält. Aber was soll's? Die Hauptsache nach dem nervenzehrenden Theater der letzten Tage ist: Die Kuh ist vom Eis. Und das auch noch mit dem Segen von Deutschlands größter Zeitung. „620-Mark-Jobs gerettet“, titelte Bild und schreibt: „Der erste Donnerschlag der neuen Regierung – der erste Befreiungsschlag von Kanzler Schröder.“ Sollen doch die anderen Zeitungen analysieren und mäkeln, Hauptsache das Massenblatt spielt mit.

Noch am Tag zuvor hatte die Zeitung getitelt: „620-Mark-Jobs: Denkt bitte an uns Frauen“. Hat es sich da etwa schon bewährt, daß einer der zwei stellvertretenden Regierungssprecher ein ehemaliger Bild-Redakteur ist?

„Das Ziel war“, sagt eine Sozialdemokratin, „bei den Leuten ankommen zu lassen, was angekommen ist.“ Angekommen ist nämlich erstens die Botschaft, daß weder die Arbeitnehmer noch die Arbeitgeber belastet werden und auf diese Weise alles beim alten bleibt. Und zweitens: Schröder hat sich als starker Mann erwiesen, der kaum, daß er aus Rußland wiedergekommen ist, den Karren aus dem Dreck gezogen hat. Na gut, die neue Regelung ist möglicherweise verfassungswidrig. Aber selbst die Grünen sagen: Schau'n wir mal. Es wird sich schon eine Lösung finden.

Auch die Sache mit den Steuerausfällen ist nicht klar. Fehlen dem Finanzminister nun vier Milliarden, weil ja die Pauschalsteuer abgeschafft worden ist oder nicht. Ein Genosse tröstet: „Das begreift eh keiner.“ Die Sozialdemokraten sind selbst über die relativ positiven Reaktionen überrascht. Insbesondere, daß selbst die Wirtschaft ihren Segen gibt. Vielleicht, mutmaßt ein Genosse, haben die noch gar nicht richtig kapiert, was die neue Regelung im einzelnen bedeutet. Denn für viele Arbeitgeber wird es nun teurer. Zumindest diejenigen Arbeitgeber, die bisher auch keine Steuern gezahlt haben, weil sie die Steuerzahlungspflicht auf die Arbeitnehmer abgewälzt haben, stehen schlechter da. Zukünftig müssen sie Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Andererseits sind die Arbeitgeber erleichtert, daß es die 620-Mark-Jobs überhaupt noch gibt und daß sie keine Steuern zahlen müssen. Politik ist eben auch Psychologie.

Aber wird die neue Regelung wirklich etwas bringen? Etwa die Zahl der etwa 5,6 Millionen geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse verringern, wie es eigentlich geplant gewesen war? „Im Grunde handelt es sich nur um Umverteilung“, heißt es aus dem Arbeitsministerium. Was vorher an Steuern gezahlt worden sei, werde nun an die Sozialversicherungssysteme entrichtet. Es sei deshalb unwahrscheinlich, daß es in Zukunft weniger 620-Mark-Jobs geben werde.

Dennoch machten sie auch in der SPD-Fraktion am Donnerstag abend gute Miene. Mehrheitlich waren sie zwar für das Riester-Modell, das die 620-Mark-Jobs zu 300-Mark-Jobs machen wollte. Und dann wurden sie auch noch von Schröder vor vollendete Tatsachen gestellt. Aber das ist die neue SPD: Zwölf Gegenstimmen und zwölf Enthaltungen bei 298 Fraktionsmitgliedern. Das ist zu verkraften. Markus Franz, Bonn