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Einkauf trotz Asienkrise

Deutsche Bank kauft US-Kollegin, Belegschaftsproteste zu Hause. Die Bilanzen stimmen: Asien hat die hiesigen Banker weniger getroffen als die Angelsachsen  ■ Von Hermannus Pfeiffer

Hamburg (taz) – „Die größte Übernahme einer US-Bank durch eine ausländische Bank“ – so wird in den USA die Übernahme der Bankers Trust durch den hiesigen Branchenprimus Deutsche Bank beurteilt. Gestern abend traf sich der Aufsichtsrat der achtgrößten US-Bank, um über den Verkauf zu entscheiden. Bankers Trust mußte in letzter Zeit einige Rückschläge hinnehmen, so daß die Deutsche Bank für geschätzte neun Milliarden Mark verhältnismäßig günstig ihr Standbein im Weltmarkt Nummer eins verstärken kann.

Die Zufriedenheit der Vorstände über das Geschäft dürfte nur wenig von Protesten der Belegschaft zu Hause in Frankfurt getrübt werden: Die Angestellten sind gegen die Ausgliederung des normalen Kundengeschäfts in eine sogenannte „Retail Bank“. Laut Spiegel sollen dort die Tarifverträge deutlich „flexibler“ ausfallen. Das bedeutet in heutigen Zeiten meist niedrigere Löhne, und so wollen die Betriebsräte denn auch diese Woche protestieren. Selbst ein Streik wird nicht ausgeschlossen.

Streit hin oder her – bei den Bilanzen der deutschen Institute bleibt der große Krach aus. Insgesamt müssen die Gewinn- und Verlustrechnungen der fünf deutschen Großbanken für dieses Jahr mit der Note „3+“ bewertet werden. Trotz Asien-Krise, Rubel-Desaster und Börsen-Turbulenzen legten die bundesdeutschen Universalbanken wieder einmal stolze Abschlüsse vor.

Immer wichtiger werden auch für die deutsche Wirtschaft die Quartalsbilanzen nach amerikanischem Muster. Besonders an den Herbstabschlüssen läßt sich der Jahrestrend ablesen – und der ist deutlich positiv. Rund 13 Milliarden Mark Gewinn vor Steuern haben die fünf Großbanken schon in den ersten neun Monaten erwirtschaftet. Die Eigenkapitalrendite der Deutschen Bank kletterte auf sagenhafte 22,2 Prozent. Folglich kassieren die Frankfurter auf jede 100 Mark Einsatz pro Jahr 22 Mark und 20 Pfennige. Dazu kommen bilanziell versteckte Gewinne, etwa für stille und offene Rücklagen, von schätzungsweise noch mal zehn Milliarden Mark. Zugleich wurde zwar weiterhin der Personalbestand rigide abgebaut, aber gleichzeitig stieg der Bilanzposten „Verwaltungsaufwand“, da sich hierin auch die immensen Investitionen in neue Techniken widerspiegeln.

Immerhin kommen die Bilanzen in diesem Jahr nicht ganz so rauschend daher, wie in den Neunzigern bislang üblich. Dabei sind auch an den Top five die spätsommerlichen Kurseinbrüche an den Börsen von Frankfurt bis New York nicht spurlos vorübergezogen: So legte die Deutsche Bank im sogenannten Handelsergebnis ein Minus von 224 Millionen Mark hin. „Verspekuliert“, sagt dazu ein Frankfurter Börsianer, denn das Handelsergebnis spiegelt den Handel mit Wertpapieren auf eigene Rechnung wider.

Während die Asien-Krise die bundesrepublikanischen Geldgiganten weitgehend ungeschoren ließ, da diese dort schwächer als die globale Konkurrenz engagiert ist, zeigt das Rußland-Desaster kräftigere Wirkung: Insbesondere die Deutsche Bank, die schon in der Sowjetära als Moskaus internationale Hausbank operierte, mußte ihre Risikovorsorge in diesem Jahr um 40 Prozent hochfahren.

Insgesamt überstanden die deutschen Universalbanken die Finanzturbulenzen dieses Jahres ungleich besser als ihre angelsächsische Konkurrenz. Die Stabilität des Finanzplatzes Deutschland basiert auf dem spezifisch deutschen Universalbanksystem. Verluste im einen Geschäftsbereich können durch Gewinne im anderen Feld ausgeglichen werden.

„Wenn Enten nicht gehen, verkaufen wir eben Hühner“, brachte der frühere Deutsche-Bank-Sprecher Kopper seinen globalen Wettbewerbsvorteil ins tierische Bild. So erwies sich jetzt das von globalistischen Investmentbankern bespöttelte Kreditgeschäft als stabile Ertragssäule. Zudem freuen sich die westdeutschen Vorstände auf die Überweisungen ihrer Versicherungstöchter und über die Dividenden aus ihren Industriebeteiligungen. Obendrein verdiente die Deutsche Bank selbst am sommerlichen Börsenabsturz, trotz eigener Kursverluste. Dafür sorgten die vermehrten Kauf- und Verkaufaufträge der Kunden, die der Deutschen Bank hinreichend viele Provisionen bescherten. Kein Wunder also, daß die Bankszene in den USA, Japan oder Großbritannien seit längerem vom hiesigen Universalbanksystem träumt.

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