: Musterknabe Lausebengel
■ Mit Christine Nöstlingers „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“ zeigt auch das Junge Theater ein Vorweihnachts-Kinderstück
Berti Bartolotti ist eine Künstlerin wie aus dem Bilderbuch. Sie raucht Zigaretten mit Spitze, trägt wallende Federboas und hat, wie es sich für eine echte Künstlerin gehört, einen chaotischen Lebenswandel. Das einzig regelmäßige in Berti Bartolottis Leben sind die Paketsendungen verschiedener Versandhäuser, die sie täglich bekommt. Denn sie bestellt alles, was günstig ist, egal um was es sich handelt. Und so wird ihr eines Tages eine sehr große Konservendose zugestellt. Doch statt einer Riesenmenge toten Thunfischs steckt der quicklebendige Konrad, ein siebenjähriger Musterknabe, drin.
Neben dem Theater am Goetheplatz oder dem Waldau-Theater entdeckt jetzt in der Vorweih-nachtszeit auch das Junge Theater das kindliche und jugendliche Publikum. Das Ensemble an der Friesenstraße im Bremer Steintor-Viertel hat sich für die Inszenierung von Christine Nöstlingers schon 1975 veröffentlichtem Klassiker „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“ entschieden. Und darin sind die Verhältnisse ziemlich auf den Kopf gestellt.
Konrad redet so, als hätte er einen Besuch der Schlafschule aus Aldous Huxleys „Schöner neuer Welt“ hinter sich. Kaum hat er sich aus der Konservendose befreit, doziert er: „Eis ißt man nur im Sommer, und Süßigkeiten sind überhaupt nur als Nachspeise gedacht.“ Mit Sprüchen wie diesen bringt Konrad (Erkan Altun) das herrlich künstlerische Leben von Berti Bartolotti (Brigitte Eigenmann) gehörig durcheinander. Das Kind ist viel artiger und vernünftiger als Berti, obwohl sie erwachsen ist. Ihr Erziehungsstil weicht völlig von den Vorstellungen ab, die man Konrad in der Fabrik vermittelt hat, in der er hergestellt wurde. Aber als sie sich endlich aneinander gewöhnen, meldet sich der Fabrikdirektor: Konrad ist Frau Bartolotti nur irrtümlich zugestellt worden und wird umgehend wieder abgeholt. Da hilft nur eins: Konrad muß zu einem richtigen Frechdachs umerzogen werden, damit er bleiben kann.
„Konrad“ ist ein Spaß, der nicht nur bei Kindern gut ankommt. Mit Schwarzblenden zwischen den Szenen inszeniert Till Rickelt ein so amüsantes wie packendes Stück. Hier und da versuchen die SchauspielerInnen, ihr Publikum einzubeziehen. Doch darauf hätten sie getrost verzichten können. Denn auch so spielen Erkan Altun, Brigitte Eigenmann sowie Axel Deller, Liz Hencke und Satya Hamed ihre Rollen absolut überzeugend. Für Kinder ab dem Grundschulalter ist dieser Konrad bestimmt ein unvergeßliches Theatererlebnis.
Kim Auerswald /ck
Aufführungen: 29.11. sowie 6., 20., 26. und 27.12. jeweils um 16 Uhr; Vormittagsvorstellungen auf Anfrage unter Tel.: 70 01 41
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