piwik no script img

Abschieber waschen ihre Hände in Unschuld

■ Innensenator Eckart Werthebach kontert Kritik an Abschiebepraxis: „Maßnahme“ gegen 74 BosnierInnen im Juli war rechtmäßig. PDS fordert unabhängige Untersuchungskommission

Die Innenverwaltung weist weiterhin jegliche Kritik an den Abschiebungen von 74 bosnischen Flüchtlingen Mitte Juli zurück. In einer abschließenden schriftlichen Stellungnahme, die gestern im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses diskutiert wurde, heißt es, daß die Abschiebungen „grundsätzlich rechtmäßig abgewickelt wurden“. „Im Verlauf der Maßnahme festgestellte Mängel“ hätten zu „umgehenden Korrekturen“ geführt, heißt es in dem Bericht.

Nicht nur PDS und Grüne, sondern auch die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer JuristInnen und die Kirchen hatten dem damaligen Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) vorgeworfen, daß seine Behörde bei den Abschiebungen äußerst inhuman gehandelt und eine Vielzahl von Rechtsverstößen begangen habe. So hätten die Betroffenen teilweise über gültige Duldungen verfügt und gar nicht abgeschoben werden dürfen.

Weiter wird kritisiert, daß die Polizei durch die Art und Weise der Festnahmen gegen die Grundsätze der Menschenwürde verstoßen habe. So seien Menschen mitten in der Nacht in Schlafanzügen abgeführt und Traumatisierte abgeschoben worden.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Roland Gewalt, räumte lediglich ein, daß es in „ein bis zwei Fällen Abstimmungsprobleme“ mit den Behörden gegeben habe. Sonst sei alles Rechtens gewesen. Ingesamt sind laut Innenverwaltung fünf Personen abgeschoben worden, die zwar eine Traumatisierung behauptet hätten, aber keine entsprechenden Atteste vorlegen konnten, die sie vor einer Abschiebung geschützt hätten.

Die PDS-Abgeordnete Karin Hopfmann stellte gestern fest, jetzt stehe „Aussage gegen Aussage“. Sie forderte weiterhin eine unabhängige Expertenkommission, die die Vorfälle untersuchen solle. Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, blieb bei seinem Standpunkt, daß in vielen Fällen gegen das Ausländergesetz verstoßen worden sei.

Der neue Innensenator, Eckart Werthebach (CDU), kündigte gestern im Innenausschuß an, daß es zukünftig zu Abschiebungen kommen werde. Jedoch sollten Rückkehraktionen in einer Größenordnung wie im Juli nicht wiederholt werden. Gegen ein Abschiebemoratorium für Kosovo-Albaner, wie es PDS und Grüne forderten, sprachen sich SPD und CDU aus. Das Flug-und-Lande-Verbot in Belgrad führe zu einem faktischen Abschiebestopp, so Werthebachs Begründung. Julia Naumann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen