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„Da kann kein Unternehmen gegen an“

■ Wegen der Asienkrise gehen die 5.000 Bremer Stahlwerker in Kurzarbeit / Experte Heiner Heseler von der Uni zur vertrackten Lage der Stahlindustrie

Alle 5.000 Bremer Stahlwerker gehen im neuen Jahr in Kurzarbeit. Mit dieser Mitteilung erschreckte jetzt Unternehmenssprecher Hans-Jürgen Blöcker die Öffentlichkeit. Ganze sechs Monate wollen die Stahlwerke jetzt ihre Produktion drastisch herunterfahren – weil die Wirtschaftskrise in Asien die bundesdeutsche Stahlindustrie von hinten eiskalt erwischt hat. Im gesamten Bundesgebiet deutet sich in den Stahlkonzernen deshalb bereits Kurzarbeit an. Wir sprachen mit Dr. Heiner Heseler, Experte für Strukturpolitik und Schiffbau an der Universität Bremen, über diese drastischen Unternehmerschritte.

taz: Alle 5.000 Stahlwerker sind ab 1. Januar in Kurzarbeit, eine ganze Hütte fährt die Produktion herunter. Das hört sich ja dramatisch an – am Ende stehen womöglich Entlassungen?

Dr. Heiner Heseler: Dramatisch ist die Situation deswegen, weil wir zum ersten Mal mit einem dramatichen Preisverfall in Südostasien zu kämpfen haben. Dort hat man auf den Währungsverfall mit einer sehr starken Exportoffensive reagiert. Die Preise sind durch die Abwertungen um 20 bis 30 Prozent gefallen. Gegen solche Preise kann aber kein deutscher Stahlkonzern antreten. Deshalb sind die Stahlwerke jetzt in Kurzarbeit gegangen – aber das gerade, um Entlassungen zu vermeiden.

Aber die Asienkrise ist doch seit Monaten bekannt? Wieso kommt das alles so plötzlich?

Im ersten Halbjahr 1998 hat die Stahlindustrie noch sehr viel produziert. Da gab es noch ein deutliches Produktionsplus. Erst im Oktober gab es plötzlich einen deutlichen Produktionsrückgang. Damit wurde zum ersten Mal in Europa mehr Stahl eingeführt als exportiert wurde. Das gab es in den anderen früheren Krisenjahren noch nie. Wie kann man das regulieren, die Abnehmer entscheiden sich ja nun mal für das billigste Angebot?

Die Unternehmen entscheiden sich erstmal rational für Kurzarbeit, um Zeit zu gewinnen. In dem Moment, in dem sich die asiatische Wirtschaft erholt, wird es auch zu einer Aufwertung der Währung kommen. Diese Entwicklung deutet sich in Korea auch schon an. Auf der politischen Ebene muß dagegen folgendes geschehen: Man darf das Anbieten zu Dumpingpreisen nicht akzeptieren. Da wäre auf jeden Fall die Europäische Komission gefragt.

Was sollte sie tun?

Mit den südostasiatischen Ländern verhandeln, wie es die US-Amerikaner ja schon machen. Sie lassen einfach nicht mehr soviele Produkte rein und wehren sich gegen die Dumpingpreise. Die EU ist dagegen zögerlicher, weil der Export für Europa eine größere Bedeutung hat als für die USA. Da muß man ja auch die Interessen der anderen Branchen sehen, die nicht so stark von der Wirtschaftskrise betroffen sind wie die Stahlindustrie. Die Interessenlagen sind eben sehr unterschiedlich in Europa.

Wenn die Europäische Komission nicht hilft, wie kommt die Stahlindustrie dann aus der Krise heraus?

Man muß darauf setzen, daß es zu einem ökonomischen Aufschwung kommt. Wenn das nicht der Fall sein wird, dann ist es allerdings mit Kurzarbeit nicht getan. Dann wird es auch zu Entlassungen kommen.

Auch in Bremen?

Die Konkurrenz unter den europäischen Stahlunternehmen wird wieder schärfer: In den letzten Jahren haben alle Unternehmen Gewinne gemacht, das waren Jahre des Aufschwungs. Momentan haben wir eine unklare Konjunktursituation: Die Unternehmen bereiten sich auf andere Zeiten vor – das zeigt der Zusammenschluß von Krupp und Thyssen. Da ist dann die Frage: Wer wird Gewinner? Ich gehe davon aus, daß es im Zuge der Thyssen-Krupp Fusion noch einige Stellen treffen wird, weil der Konzern auf Synergieeffekte setzt.

Und Bremen?

Bremen ist im Moment eines der modernsten Stahlwerke und man wird sehen, ob es den Weg der Investitionen weitergehen wird. Es ist gut, im Konzern Sidmar-Aved-Verbund zu sein und damit zu den modernsten Stahlproduzenten zu gehören, unabhängige Betriebe werden keine Chance haben.

Trotzdem wird man sich wohl an Kurzarbeit im ganzen Konzern gewöhnen müssen?

In der Stahlindustrie wird es immer wieder dazu kommen, weil sie am stärksten konjunkturabhängig ist. Wenn internationale Krisen dazu kommen, kann sich dagegen langfristig kein Stahlunternehmen wappen. Man kann nur darauf setzen, innerhalb von Stahlverbünden einen stärkeren Arm zu haben, um eine solche Krise durchhalten zu können. Fragen: Katja Ubben

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