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Bonner wird Kultfigur

■ Ein Bonner Ministerialrat verhindert, daß eine Bühnengestalt seinen Namen trägt. Berliner Kabarettist Arnulf Rating beschließt "Umbenennung"

Das Zentrum der Macht ist eindeutig Bonn. Anders ist nicht zu erklären, daß es ein einziger Bundesbeamter geschafft hat, einen Berliner Kabarettisten dazu zu bringen, die Hauptfigur seines Stückes umzubenennen.

Seit mehr als einem Jahr reist der Kabarettist Arnulf Rating, der zu den Mitbegründern der legendären Berliner Anarcho-Komiker „Die 3 Tornados“ gehört, mit seinem Soloprogramm „Out of Bonn“ äußerst erfolgreich durch deutsche Lande. Darin betreut er als Sekretärin Hedwig Klitzke in einem Berliner Bundesumzugsamt einen Fachreferenten für Ablagewesen namens Karl-Heinz Gröbner, der seine Heimat am Rhein verlassen mußte. Orientierungslos und mit Herzrhythmusstörungen schlägt er sich in der Großstadt durch. Seinen Mercedes muß er in der Garage lassen („Der wär' ja in drei Minuten in Polen“), mit der S-Bahn („dieser Kommunistenhusche“) zuckelt er ewig durch die Hauptstadt.

Seit ein Beamter aus dem Bonner Arbeitsministerium, der das Referat IIa 1, „Grundsatzfragen der Arbeitsmarktpolitik“ leitet und zufällig den gleichen Nachnamen wie die Kabarettfigur trägt, Wind davon bekam, ist Schluß mit lustig. Der wahre Gröbner, mit Vornamen Gerhard, drohte wegen „ehrverletzender Behauptungen“ mit gerichtlichen Schritten. Ratings telefonische Bemühungen, den Ministerialrat an den Spaßfaktor im Leben zu erinnern, schlugen fehl. Gröbners Argument: Weil er der einzige Beamte im Bundesarbeitsamt mit diesem Namen sei, werde er eindeutig persönlich identifiziert.

Ein persönliches Treffen zwischen dem Schöpfer der Kabarettfigur Gröbner und Gerhard Gröbner am Dienstag in Berlin offenbarte alte Bonner Machtgelüste: Der wahre Gröbner, der das Programm, das auch in Bonn lief, nie gesehen hat, bot dem Kabarettisten an, nicht vor Gericht zu ziehen, wenn aus dem ö ein ü werde. Rating, ganz Kabarett-Profi, erklärte sich zu einer „Umbenennungsmaßnahme“ bereit. Aus Gröbner wird jetzt Grübner. Ratings Bedenken, daß jetzt ein wahrer Grübner aufkreuzen könnte, schlug Gröbner in den Wind: Er erklärte sich – im Ernst – bereit, abzuklären, daß Rating mit dem neuen Namen nicht einen anderen deutschen Beamten trifft.

Ein Angebot, auf das Rating getrost verzichten kann. „Sollte sich ein Beamter namens Grübner in meiner Bühnenfigur wiedererkennen, so werde ich meinen Karl- Heinz Grübner sofort in Grüber umbenennen und nach der Beschwerde von Grüber in Gröber, Müller, Schulze, Overhaus, Morr und Schmidt“, schreibt der Kabarettist in seiner „Erklärung zum Fall Dr. Gröbner/Rating“. Weiter heißt es: „Sie sollen alle kommen. Ich meine ja nicht einen, sondern alle.“ Schließlich sei es „unfair, wenn allein aufgrund einer zufälligen Namensgleichheit die ganze Kritik nur an einem deutschen Beamten hängenbliebe“. Denn immerhin gebe ihm diese Einzelbeschwerde die Möglichkeit, nicht nur einen Beamten von der Gefahr der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte zu befreien.

Während der wahre Gröbner dabei ist, unfreiwillig zur Kultfigur zu avancieren, ruft Rating die Öffentlichkeit auf, ihm mögliche Beamtennamen für seine Bühnenfigur zu nennen. Dann könnte er den „Gröbner der Woche“ oder den „Gröbner des Tages“ ausrufen. Ein satirisches Denkmal haben die Bonner Beamten allemal verdient. Denn, so schreibt Rating in seiner Erklärung weiter, „unsere Beamten genießen nicht nur besondere Privilegien, sie sind offenbar auch wegen ihrer oft geringen satirischen Belastbarkeit stark gefährdet“. Dagegen helfe nur eins: eine Humorzulage vom Dienstherrn. „Besonders, wenn sie nach Berlin kommen. Sie werden das brauchen können!“

Barbara Bollwahn de Paez Casanova

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