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SPD setzt Großmarkt-Vertagung durch

■ Koalitionsstreit im Vorfeld der Wirtschaftsförderausschüsse: Verkauf des Überseehafen-Grundstücks für den Großmarkt verschoben

Hinter verschlossenen Türen ging es gestern hoch her zwischen den Koalitionspartnern SPD und CDU. Soll das 16 Hektar große Grundstück im Überseehafen für den neuen Großmarkt, der nach dem Unzug den wohlklingenden Namen „Frischezentrum Nord“ erhalten soll, jetzt (für 30 Mark den Quadratmeter) verkauft werden oder noch nicht, das war die Frage. Das Wirtschaftsressort will mit einem schnellen Verkauf Fakten schaffen, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD, Detmar Leo, hatte vorgestern angekündigt, es sollte „keine Entscheidung übers Knie gebrochen“ werden. Seine Begründung: Erstens ist bekannt geworden, daß das Fruchtzentrum aus dem Europahafen nach Bremerhaven umziehen wird. Die Nähe zum Fruchtumschlag war aber eine der Begründungen dafür, daß der Großmarkt auf die verkehrspolitisch ungünstigere Fläche im Überseehafen verlegt werden soll.

Zweitens läuft zu den alten Hafenrevieren rechts der Weser ein Wettbewerb von möglichen Investoren. Leo erwartet, daß dessen Ergebnisse im Dezember konkretisiert vorliegen, und es sei sinnvoll, die Ergebnisse dieses Wettbewerbs in die Planungen für den Großmarkt einzubeziehen. Es ist bekannt, daß die Investoren den geplanten Standort für den Großmarkt als durchaus störend betrachten. Vor wenigen Tagen hatte der SPD-Unterbezirksvorstand Bremen-Stadt sich mit dem Thema befaßt und gefordert, daß der Großmarkt 200 bis 400 Meter weiter nach Westen hin zum Wendebecken gebaut wird. Der SPD-Politiker Leo könnte sich eine Entscheidung im Februar vorstellen. „Ein Zwang, das Grundstück jetzt zu verkaufen, besteht nicht“, versichert Leo. Insbesondere besteht noch kein Bebauungsplan; ein Verkauf würde das Parlament, das den Bebauungsplan beschließen muß, vorab festlegen.

Daß das Wirtschaftsressort strikt gegen eine Denkpause ist, hat verschiedene Gründe. Daß der Großmarkt am Kopf des Überseehafens gebaut werden soll, hat derweil schlicht finanztechnische Hintergründe. Aus welchem Topf wird das Zuschütten des Hafenbeckens bezahlt, das war die Frage. In einem Kompromiß zwischen Häfen- und Wirtschaftsressort war vereinbart worden, daß das Wirtschaftsressort die Verfüllung der ersten Hälfte bezahlt und auch die ca. 200 Millionen für den Umzug des Großmarktes, der der Autobahn-trasse A 281 weichen soll, finanziert. Das Zuschütten der zweiten Hälfte des Hafenbeckens sollte das Häfenressort bezahlen. Wenn nun der Großmarkt auf diese zweite Hälfte „verschoben“ würde, wäre der Finanzierungskompromiß in Frage gestellt.

Vor allem aber befürchtet die CDU, daß eine Entscheidung im kommenden Frühjahr in den Wahlkampf hineingeraten würde. Wenn die Investoren in ihren Planskizzen zu dem Schluß kommen, daß ein Großmarkt dort mit seinen 16.000 LKWs täglich für die Entwicklung moderner Dienstleistungs-Quartiere eher hinderlich wäre, dann könnte die Frage aufgeworfen werden, ob man nicht doch dem Votum der Gutachter folgen sollte und den Großmarkt in die Hemelinger Marsch an die Autobahn A1 verlegen sollte.

Zeitweise stand gestern die Drohung im Raum, den Koalitionsausschuß mit dem Thema zu befassen. Schließlich verständigte man sich, den 9. Dezember als Entscheidungstermin anzupeilen. Das wäre knapp vor Vorlage der Ergebnisse des Investoren-Wettbewerbs über die alten Hafenreviere. K.W.

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