: Vom Kopf auf die Füße
■ Kreuzberg rückt die Verhältnisse zurecht
Bislang galt es im Senat als ausgemacht, daß die „Problemgebiete“ der Stadt vor allem das Ergebnis der Abwanderung von Besserverdienenden seien. Entsprechend sieht auch die Politik von SPD und CDU aus. Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe, Eigentumsförderung und die Blockade gegen Milieuschutzverordnungen und Mietobergrenzen sind vor allem Angebote an Einkommensstarke – oder aber an Investoren, die Wohnungen für eben jene Klientel errichten sollen.
Daß der Senat mit dieser Politik den Bock zum Gärtner macht, belegt die Topos-Studie gleich in mehrfacher Hinsicht. Sie zeigt zum einen, daß die Armutsentwicklung kein Ergebnis sogenannter „Armutsmigration“ ist, sondern hausgemacht. Auch diejenigen, die schon lange in Kreuzberg leben, werden ärmer. Weil das in den allermeisten Bezirken nicht anders ist, darf die Frage der sozialen Mischung deshalb nicht länger als ein – räumliches – Verteilungsproblem von Besser- und Schlechterverdienenden angesehen werden. Das Problem ist noch immer die unterschiedliche Verteilung von Reichtum.
Darüber hinaus belegt die Studie auch, daß von einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt keine Rede sein kann. Wenn der Bestand an Substandardwohnungen im Osten modernisiert und ein Großteil der Sozialwohnungen aus der Bindung entlassen ist, findet auch die „Armutsfluktuation“ ihr Ende. Eine Politik der sozialen Stadterneuerung muß daher auch die Mietentwicklung wieder stärker in den Vordergrund rücken.
Vor allem aber muß sie endlich an der sozialen Realität derer ansetzen, die in den Problemgebieten wohnen. Die Rechnung von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder, mit einigen wenigen Yuppies „soziale Mischung“ herzustellen, geht nicht auf. Die vorhandene Gebietsbevölkerung will nicht „durchmischt“ und schon gar nicht „aufgemischt werden“. Sie will endlich Angebote, die den Namen verdienen. Dazu gehören Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ebenso wie Mietobergrenzen und ein Quartiersmanagement, das die soziale Abwärtsbewegung nicht nur verwaltet, sondern als das begreift, was sie ist: als Problem nicht nur bestimmter Gebiete, sondern der gesamten Stadt. Uwe Rada
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