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Touristisches Aschenputtel

Vor Jahren hatten die Bettenburgen an der rumänischen Schwarzmeerküste internationalen Standard. Doch inzwischen sind sie heruntergekommen. Nun soll alles besser werden  ■ Von Wolfgang Gast

Wenn Sorin Frunzaverde, seit knapp drei Monaten in Rumänien als Tourismusminister im Amt, über sein Ressort redet, dann schleicht sich schnell ein „leider“ in seine Sätze ein. Leider ist die Zahl der deutschen BesucherInnen hinter den Erwartungen zurückgeblieben, leider kann die Infrastruktur mit der der Nachbarländer kaum mithalten. 529 Millionen Dollar, sagt er, habe man im letzten Jahr mit dem Tourismus eingenommen. In Ungann waren es im Vergleich 2,2 Milliarden, in Tschechien sogar 2,6 Milliarden. „Alles klar?“, fragt der Minister ironisch. Klar, mit 1,5 Prozent am Brutto-Inlands-Produkt ist der Tourismus in Rumänien eine reichlich unterentwickelte Branche.

Dabei hat Rumänien eigentlich viel zu bieten. Eine sonnige 225 Kilometer lange Schwarzmeerküste; ein großartiges, in weiten Teilen unberührtes Donaudelta; in den Karpaten laden Gebirgslandschaften mit ihren bis zu 2.500 Meter hohen Gipfeln zum Wandern und Klettern ein; auf den bildungshungrigen Besucher warten kulturhistorisch bedeutende Städte, Burgen oder Klöster. Und beinahe in der geographischen Mitte des Landes gibt es noch das Schloß des Grafen Dracula im transsilvanischen Bran – die Region entwickelt sich nach und nach zum Zentrum eines ländlichen Tourismus.

Im vergangenen Jahr kamen dennoch nur rund 271.000 Besucher aus der Bundesrepublik. Zuwenig, wie Minister Frunzaverde weiß. Im Rumänien unter Diktator Ceausescu brach vor allen der einst florierende Tourismus an den Badestränden des Schwarzen Meeres zusammen.

Herrschte vor zwanzig Jahren in den Bettenburgen an der Küste noch ein international vergleichbarer Standard, so ist heute „vieles von dem, was war, kaputt gegangen“. Verfallen und nicht wieder aufgebaut. Verschleppte Reformen und ein totalitäres Regime der Postkommunisten nach der Wende 1989 sorgten zusätzlich dafür, Touristen fernzuhalten.

Parallel wuchs auch die Konkurrenz. Länder wie Kroatien, Slowenien oder Tschechien liegen nicht nur näher an den Zentren Westeuropas, sie bieten bei vergleichbaren Preisen einen „Service von viel besserer Qualität“.

Die Fehler der Vergangenheit hat der Minister schnell aufgezählt. Schwerer fällt es ihm zu erklären, wie die neue Regierung die Mängel beseitigen will. Die alte Staatswirtschaft, sagt er, hängt wie ein Klotz am Bein. Nur fünfzehn Prozent der Hotels sind bis heute in privater Hand, den Rest hält direkt (über eine Treuhandanstalt) oder indirekt (über staatliche Investitionsgesellschaften) immer noch der Staat.

Darüber hinaus klafft in der Angebotspalette der Übernachtungsbranche eine große Lücke. Internationale Hotelketten haben sich in Rumänien angesiedelt, sie nehmen allerdings auch internationale Preise. Individualtourismus reduziert sich unter diesen Bedingungen auf die Reisen von Geschäftsleuten. In der Kategorie der preiswerteren Mittelklassehotels herrscht dagegen ein meist noch katastrophaler Standard. Frunzaverde resümiert: „Noch gibt es keine Korrelation von Preisen und Standards.“

Der Tourismus soll nach dem Willen der Regierung von Ministerpräsident Radu Vasile nun „Priorität“ erhalten. Steuervorteile sollen die Branche ankurbeln. Investitionen in diesem Bereich werden künftig subventioniert und die bislang fällige Mehrwertsteuer halbiert.

Noch in diesem Sommer soll ein eigenes Tourismusgesetz verabschiedet werden, das unter anderem den finanziellen Rahmen für die Entwicklung der Infrastruktur regelt.

An erster Stelle setzt das Ministerium auf die konsequente Privatisierung des Hotelgewerbes. Es hofft, dadurch wieder internationalen Standard zu erreichen.

„Noch“, bedauert der Minister, „ist Rumänien ein zu wenig bekanntes Ziel.“ Und noch weiß er nicht so ganz genau, wo er anfangen soll, das zu ändern.

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