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Auch unter Männern gibt es talentierte Frauen

■ Eine Diskussion zum Thema weibliches Schreiben im Literaturforum des Brecht-Hauses

Man stelle sich vor: Vier Männer treffen sich auf dem Podium eines Berliner Literaturzentrums und tauschen sich darüber aus, wie sich ihr Geschlecht auf das Schreiben auswirkt. Eine absurde Vorstellung, die allerdings sehr geläufig ist, wenn Autorinnen das Podium betreten.

Vor gut drei Jahrzehnten eröffneten Theoretikerinnen wie Luce Irigaray und Hélène Cixous die Suche nach der écriture feminine; seitdem wird die Verbindung von Schreibweise und Weiblichkeit unter wechselnden Fragestellungen durchdekliniert. Das hatte zweifellos seine Berechtigung zu einer Zeit, als der Literaturbetrieb fest in Männerhand war und die Frauenfiguren in den Texten reichlich stereotyp ausfielen. Heute, wo die Kategorie Geschlecht ihre Unverbrüchlichkeit eingebüßt hat, wird die Sache schon schwieriger. Lange schon dräut die Selbstghettoisierung im Käfig Frauenliteratur, besteht die Gefahr, daran mitzuwirken, daß das Weibliche als Sonderfall, das Männliche als Statthalter des Allgemeinen betrachtet wird. Am Donnerstag abend, als die Autorinnen Katja Lange-Müller, Sabine Peters und Friederike Kretzen im Literaturforum im Brecht-Haus zu Lesung und Gespräch zusammenkamen, klang diese Problematik erst spät an. Über weite Strecken der mit dem Motto „,Weibliches‘ Schreiben oder von ,Weiblichkeit‘ schreiben?“ versehenen Veranstaltung schien es, als unterscheide sich die literarische Arbeit von Frauen tatsächlich grundlegend von der der Männer, als bedinge die Geschlechtszugehörigkeit einen anderen Blick, ein anderes Schreiben, eine andere Grammatik. Dieser Eindruck entstand weniger durch die vorgetragenen Texte als vielmehr durch die Moderatorin, die Kulturwissenschaftlerin Astrid Deuber-Mankowsky. Hartnäckig klammerte sie sich an die Frage, ob die Genauigkeit, die etwa für Lange-Müllers Roman „Verfrühte Tierliebe“ charakteristisch sei, einer spezifisch weiblichen Perspektive geschuldet sei. Auf die einfache Gegenfrage, ob nicht Genauigkeit zum Handwerkszeug eines jeden Autors gehören sollte, kam Deuber-Mankowsky nicht. Da waren die drei Autorinnen deutlich weiter. Daß eine weibliche Schreibweise – wenn man denn überhaupt davon sprechen könne – nichts mit dem Geschlecht des Autors zu tun habe, stellte Katja Lange-Müller unmißverständlich klar: „Auch unter den Männern gibt es sehr talentierte Frauen.“ Ganz ähnlich verlief die Argumentation übrigens schon vor dreißig Jahren, lange bevor das Zauberwörtchen „Gender“ ins Blickfeld rücken sollte.

Als Hélène Cixous den Begriff der écriture feminine prägte, dachte sie dabei an männliche Autoren – an Joyce zum Beispiel oder an Kafka. Die Geschlechtszugehörigkeit als Maßstab der Literaturbetrachtung hatte schon damals ausgedient. Cristina Nord

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