Energiekonsens wird zum Energiedissens

■ Atomwirtschaft sieht in Trittins Entwurf zur Änderung des Atomgesetzes "auf Ausstieg gerichtete Novellierung", die "keinen Raum für Konsensgespräche" läßt. Auch Gewerkschaften kritisieren Planung. Tr

Berlin (dpa/AP/taz) – Mit immer härteren Bandagen kämpfen die deutschen Energieversorger gegen den von der Bundesregierung beschlossenen Atomausstieg. Die Stromkonzerne sehen nach Informationen der Welt am Sonntag offensichtlich keine Chancen mehr, sich mit der Bundesregierung auf einen Energiekonsens zu verständigen. Dies gehe aus einem dreiseitigen Vermerk an den Vorstandschef der Hannoveraner PreussenElektra, Hans-Dieter Harig, hervor. Harig ist zugleich Verhandlungsführer der Energiekonzerne bei den Konsensgesprächen.

Die Rechtsexperten des Hauses hätten die Novelle des Atomgesetzes von Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) analysiert und die Auffassung vertreten, Konsensgespräche über die Zukunft der Kernenergie in Deutschland seien auf dieser Grundlage „sinnlos“. Die Änderung des Atomgesetzes sei „eine weitgehende, auf raschen Ausstieg ausgerichtete Vollnovellierung, die praktisch keinen Raum für Konsensgespräche läßt“. Die Zielrichtung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in seiner Regierungserklärung, mit der Energiewirtschaft Übereinstimmung zu finden, werde mit Trittins Gesetzesvorlage „konterkariert“.

So versuche Trittin, eine „völlige Aushöhlung des Bestandsschutzes der Anlagengenehmigungen“ herbeizuführen, kritisieren die Rechtsexperten. Die wirtschaftliche Basis der Kernenergienutzung solle untergraben werden, etwa indem die Anlagen einer „permanenten Nachrüstung“ unterworfen werden. Jegliche Verdachtsäußerung über Mängel der Meiler reiche in Zukunft für eine Stillegung. Damit könnte praktisch „jede Anlage derzeit stillgelegt werden“, meinen die Experten.

Ein harter Kurs der Konzerne gegen die Bonner Energiepolitik wird offenbar auch von deren Beschäftigten unterstützt. Die Betriebsräte von RWE, Bayernwerk und PreussenElektra haben sich nach dem Bericht auf Protestaktionen verständigt, wenn die Bundesregierung ein vorzeitiges Abschalten von Atommeilern fordert. Dann wollten sie für einige Stunden sämtliche Anlagen auf Null fahren. Auch der ÖTV-Vorsitzende Herbert Mai hat Trittins Entwurf für ein neues Atomgesetz als „Daumenschrauben für die Energiewirtschaft“ verurteilt. „Das kommt mir nicht wie ernsthafte Politik vor“, sagte Mai.

Trittin hatte die Kraftwerksbetreiber am Freitag vor der Annahme gewarnt, sie könnten den von der rot-grünen Bundesregierung geplanten Einstieg in den Ausstieg aus der Atomkraft behindern. Der Gesetzentwurf könne allerdings nicht mehr im Dezember eingebracht werden, weil einige AKW-Betreiber dem Umweltministerium Einsicht in Verträge verwehrt hätten (die taz berichtete). Trittin nannte diese Haltung unverständlich. „Wenn wir sie vor Schadenersatzforderungen schützen wollen und sie kooperieren nicht, dann scheinen sie es auf eine Kraftprobe anzulegen. Es scheint so, als hätten diese Unternehmen etwas zu verbergen.“