: Verkehrsbetriebe werden heiß gehandelt
■ Erneut Spekulationen um den Verkauf der BVG. Jetzt wird eine französische Firma ins Spiel gebracht, die ihr Interesse am größten Nahverkehrsunternehmen Deutschlands bekundet
In der Diskussion um die Zukunft der maroden Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) ist zum ersten Mal der Name eines potentiellen Käufers aufgetaucht. Das Pariser Nahverkehrsunternehmen Vivendi habe sein Interesse bekundet, berichtete die Berliner Morgenpost. Konzernchef Jean-Marie Messier habe bereits mit dem Vorstandsvorsitzenden der BVG, Rüdiger vorm Walde, Gespräche geführt. Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner (CDU), der auch im BVG-Aufsichtsrat sitzt, dementierte das gestern allerdings. Die BVG selbst war zu keiner Stellungnahme bereit, Vivendi bis Redaktionsschluß nicht erreichbar.
Seit Monaten wird in Berlin diskutiert, wie man die mit 686 Millionen Mark verschuldeten Verkehrsbetriebe, die größten Deutschlands, sanieren kann. Derzeit verhandelt das Land als Eigentümer mit der BVG und der Deutschen Bahn über eine Holding. Das betonte auch Branoner: „Wir haben einen festen Fahrplan über zwei Wege. Entweder die stärkere Privatisierung und Wettbewerbsfähigkeit aus der eigenen Kraft der BVG oder ein Zusammengehen mit der Deutschen Bahn.“ Der stellvertretende Senatssprecher Eduard Heußen räumte gegenüber der taz zwar ein, daß es mehrere private Interessenten für den Kauf der BVG gebe, der Senat aber nur mit der Bahn verhandele. Die Verhandlungspartner stehen unter Zeitdruck. Vom 1. Januar 1999 an müssen aufgrund eines neuen Gesetzes der Europäischen Union Dienstleistungen und Zusammenschlüsse im Öffentlichen Nahverkehr europaweit ausgeschrieben werden. Ein Runder Tisch mit Vertretern der Landespolitik, der BVG, der Bahn und der ÖTV vereinbarte kürzlich, daß die BVG verschiedene Angebote und Konzepte prüfen soll.
Die Berliner CDU favorisiert den Zusammenschluß mit der Bahn. Mit dem Einstieg eines ausländischen Investors befürchtet Fraktionsvorsitzender Klaus Landowsky ähnliche Verhältnisse wie in der Baubranche: „Das Geschäft boomt, aber die Berliner Arbeitnehmer stehen hinter dem Zaun.“ Die SPD hält es dagegen für problematisch, die Bahn zu bevorzugen, wenn bessere Angebote auf dem Tisch liegen. Die Bahn etwa sei nicht bereit, erläuterte der verkehrspolitische Sprecher der SPD- Fraktion, Christian Gaebler, die Schulden der BVG zu übernehmen. Wenn ein anderes Unternehmen „mehr einbringt, müssen wir das ausloten“, sagte Gaebler. Er hielt es jedoch für sinnvoller, die BVG ohne auswärtigen Investor wieder auf die Beine zu bringen. Dafür seien allerdings weitere Landeszuschüsse notwendig. Die SPD fürchtet jedoch auch den Verlust von Arbeitsplätzen in Berlin, wenn die BVG übernommen werden sollte. Die Entscheidung liegt letztlich bei Abgeordnetenhaus und Senat. Jutta Wagemann
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