: Arcor bietet Vollanschluß
■ Firmenchef Stöber kritisiert Bundeswirtschaftsminister Müller: „Politik schützt Telekom“. Doch Arcor-Umsatz steigt drastisch
Stuttgart (taz/rtr) – Die Eschborner Telefongesellschaft Mannesmann Arcor bietet Privat- und Geschäftskunden ab sofort einen Komplettanschluß an. Das teilte das Unternehmen gestern auf einer Pressekonferenz in Stuttgart mit. Demnach können Kunden erstmals auch Ortsgespräche über den privaten Anbieter führen. Den neuen Rundumanschluß wird es allerdings zunächst nur in Stuttgart geben. Im nächsten Jahr sollen neun weitere Großstädte folgen.
Für das Angebot von Mannesmann Arcor müssen Kunden in Zukunft einen monatlichen Grundpreis von 44,90 Mark zahlen – etwas billiger als die Telekom. Im Anschlußpreis enthalten ist ein ISDN-Anschluß und ein Internet- Zugang mit E-Mail-Adresse. Die Preise für Ortsgespräche und das Internet-Surfen liegen in der Hauptzeit von 9 bis 18 Uhr bei neun Pfennig, in der übrigen Zeit und an Wochenenden bei fünf Pfennig pro Minute. Damit verlangt das Unternehmen tagsüber sogar mehr als der Hauptkonkurrent Deutsche Telekom. Die Preise für Inlandsgespräche werden dagegen bis zu 20 Prozent unter den Tarifen liegen, die bei Telekom nach der Tarifreform ab Anfang Januar fällig werden.
Bei der Vorstellung des neuen Angebots kritisierte Arcor-Chef Harald Stöber gestern die Verzögerung der Entscheidung über den Mietpreis der sogenannten „letzten Meile“ scharf. Auf Empfehlung des neuen Bundeswirtschaftsministers Werner Müller hatte die Deutsche Telekom einen Antrag bei der Regulierungsbehörde zurückgezogen, in dem sie monatlich 47,26 Mark von ihren Mitbewerbern verlangte. Zuvor hatte sich abgezeichnet, daß die Behörde dem Ex-Monopolisten eine Miete von etwa 24 Mark für die Teilnehmeranschlüsse genehmigen würde. Jetzt fällt die endgültige Entscheidung erst im April.
Dies zeige, so Stöber, „wie sehr die Politik die Telekom schützt“. Die Telekom erhalte die Möglichkeit, den Wettbewerb im Ortsnetz weiter zu verzögern und ihre eigene Position zu schützen. Die Telekom äußerte sich gestern nicht zu den Anschuldigungen.
Die Verschiebung der Entscheidung der Regulierungsbehörde ist nach Angaben des Unternehmens der Grund dafür, daß Arcor die Ortsnetztelefone zunächst nur auf zehn Städte ausweiten will. Ein breiteres Angebot werde es erst dann geben, wenn die Regulierungsbehörde die Preise für die „letzte Meile“ deutlich senke.
Am Rande der Pressekonferenz bekräftigte Stöber die bisherigen Umsatzprognosen: Arcor werde 1998 eine Steigerung um 50 Prozent auf 1,8 Milliarden Mark verbuchen können. Jens Uehlecke
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