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Ökosteuer soll auf neuen Kurs gehen

Warum müssen die Energieschlucker sowenig zahlen? Kommt das einer verbotenen Bevorzugung gleich? Solche Fragen stellen sich immer mehr Politiker bei den Grünen. Sie sinnen auf Korrektur des Gesetzes  ■ Aus Bonn Markus Franz

Bei den Grünen nimmt der parteiinterne Druck auf eine Nachbesserung der Ökosteuer zu. Der Gesetzentwurf habe „gravierende Mängel“, sei „widersprüchlich“ und „widerspreche dem Grundanliegen der Ökosteuer“. Noch in diesem Jahr sollen in einer rot-grünen Verhandlungskommission Änderungen vereinbart werden. Die Verbesserungsvorschläge sind aber intern umstritten. Auch in der SPD gibt es Bereitschaft zu Nachbesserungen.

Während der Streit um die Ökosteuer überwiegend intern ausgetragen wird, um den Koalitionsfrieden zu wahren, will der grüne Abgeordnete Winfried Hermann jedoch die Diskussion in der Öffentlichkeit forcieren. „Eine Ökosteuer, die selbst ihre Befürworter verärgert, hat auf Dauer keine Chance“, schreibt der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses in einem Diskussionspapier. Statt die Kritik an der Ökosteuer den politischen Gegnern zu überlassen, die sie verhindern wollten, sei es besser, wenn die Befürworter einer Ökosteuer für ein besseres Gesetzeswerk stritten.

Als besonders unverständlich bezeichnet Hermann, daß ausgerechnet die Energiegroßverbraucher vollständig von der Steuer befreit werden. Damit seien etwa 20 Prozent aller produzierenden Betriebe, die 40 Prozent der Energie des Produktionsgewerbes verbrauchten, ausgenommen. Die Verbraucher seien die großen Verlierer der Ökosteuerreform.

Hermann plädiert dafür, daß gerade die energieintensiven Unternehmen zur Ökosteuer herangezogen werden müßten und bestenfalls zeitlich befristet davon befreit werden dürften. Die Befreiung komme aus EU- rechtlichen Gründen einer unerlaubten Subventionierung gleich, weil die betroffenen Unternehmen durch die Senkung der Lohnnebenkosten insgesamt sogar entlastet würden. Nach den derzeitigen Ökosteuerplänen zahlt die Industrie zwei Milliarden Mark in die Ökokasse ein, bekommt aber sechs Milliarden über niedrigere Lohnnebenkosten zurück.

Hermanns Kritik findet zwar bei vielen Grünen Zustimmung, hat aber kaum Chancen, offizielle Verhandlungslinie der Grünen zu werden. Einigkeit besteht darin, die energieintensiven Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen, ohne an der Steuerbefreiung grundsätzlich zu rütteln. Anderenfalls, heißt es, werde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stark beeinträchtigt.

Die grünen Teilnehmer der fünfköpfigen Verhandlungskommission zur Ökosteuer, Kristin Heyne und Reinhard Noske, wollen durchsetzen, daß die energiebefreiten Unternehmen nur dann von der Ökosteuer befreit werden, wenn sie eine Selbstverpflichtung abgeben, den Energieanteil zu reduzieren. Die Kontrolle könnte über sogenannte Energieaudits erfolgen, also Energiebilanzen, die von unabhängigen Stellen zertifiziert werden müßten.

Loske und Heyne wollen sich in der Verhandlungskommission außerdem für eine Reihe von Steuerbefreiungen einsetzen. So soll der Ökosteuersatz für den öffentlichen Nahverkehr gesenkt werden. Außerdem soll die Erdgasbesteuerung bei der Erzeugung komplett freigestellt werden, wie es schon bei Kohle und Kernenergie der Fall ist. Es könne nicht sein, daß ausgerechnet das vergleichsweise umweltfreundliche Erdgas benachteiligt werde. Zudem wollen die Grünen die regenerativen Energien stärker als vorgesehen fördern. Um diese Maßnahmen finanzieren zu können, schlagen Heyne und Loske vor, den Anteil der ökologisch schädlichen Suventionen herunterzufahren, also etwa im Bereich der Steinkohle. Außerdem soll die Dieselsteuer erhöht werden (siehe Seite 1).

Winfried Hermann fordert außerdem, die Aufkommensneutralität der Ökosteuer zu überdenken. Schließlich sei das ursprüngliche Ziel der Ökosteuer gewesen, über zusätzliche Einnahmen Projekte für den Umweltschutz zu finanzieren. Der umweltpolitische Sprecher der SPD, Michael Müller, schlägt in dieselbe Kerbe. „Das haben uns die Grünen eingebrockt, weil sie sich unbedingt so darstellen wollten, daß sie keine Steuererhöhungspartei sind.“ Die SPD sei auf einem ganz anderen Kurs gewesen.

Auch Müller sieht dringenden Nachbesserungsbedarf für die Ökosteuer. Vor allem die soziale Schieflage der Ökosteuerreform müsse beseitigt werden. Er ziehe es aber vor, so Müller, intern für Verbesserungen zu kämpfen.

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