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Angst vor der Bestsellerkultur

■ Die Sonderstellung der Buchbranche und die Teilwertabschreibung

Preisbindungen sind in unserem marktwirtschaftlichem System verboten. Einzige Ausnahme: Bücher. Ob man den neuen Roman von Walser in der Buchhandlung um die Ecke oder im Kaufhaus kauft, ist ganz egal. Er kostet überall gleich viel. Das soll sich bald ändern. Seit ein österreichischer Großbuchhändler bei der EU um eine Überprüfung der grenzüberschreitend geltenden Buchpreisbindung angefragt hat, ist die Regelung unter Beschuß geraten.

Dem EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert ist die Buchpreisbindung in Deutschland und in sieben anderen europäischen Ländern ein Dorn im Auge. Seiner Ansicht nach darf die Buchbranche auf dem europäischen Markt keine Ausnahmestellung einnehmen. Mitte nächsten Jahres soll die Kommission eine Entscheidung fällen. In Deutschland bangt seither die Branche um das gute Buch – und um ihre Existenz. Der Betroffenenchor beruft sich auf entsprechende Paragraphen in den EU-Verträgen und fordert: Bücher sollen als Kulturgut von den strengen Wettbewerbsverordnungen ausgenommen werden.

Es gebe keine Anzeichen dafür, heißt es in einer von einer EU- Kommission in Auftrag gegebenen Studie, daß der Buchmarkt in den Ländern ohne Buchpreisbindung schlechter dran sei als im Rest Europas. Für die Aufhebung der Regelung spreche dagegen, daß zur Zeit erfolgreiches Wirtschaften auf Seiten der Verleger und Buchhändler nicht in Form von Preissenkungen an die Endverbraucher weitergegeben werden können – die Buchpreisbindung sei nicht kundenfreundlich.

Inzwischen haben die Vertreter der Büchernation ein neues Bedrohungspotential ausgemacht. Im Paket zur Steuerreform der Bundesregierung ist nämlich die Abschaffung der sogenannten Teilwertabschreibung vorgesehen. Das heißt: Künftig sollen Unternehmen ihre Lagerbestände voll bilanzieren und versteuern – können also nicht wie bisher einen Teilwert abschreiben. Verlage müßten dann für ihre zum Teil über Jahre gelagerten Bestände hohe Steuern zahlen – und Buchhändler für ihr Sortiment. Die Folge wäre, daß weniger Titel in schnellerer Folge über die Ladentische wandern müßten, damit die Lagerbestände klein bleiben. Kurz: Auch hier lauert die Bestsellerkultur. men

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