: Neue Steuerideen für die Länder gesucht
■ Die sozialdemokratisch regierten Länder setzen sich gegen die Unionsländer durch: Zunächst wird nicht der Bundestag, sondern die Bundesregierung der Ansprechpartner bei der künftigen Neuordnung des
Potsdam (AP) – Eine gemeinsame Kommission von Bund und Ländern soll im Streit um den Länderfinanzausgleich Vorschläge zu dessen Neuregelung ausarbeiten. Darauf einigten sich die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer gestern nach zweitägigen Beratungen in Potsdam. In der Kommission, die als erster Schritt des Reformvorhabens gilt, sollen die Regierungschefs von Bund und Ländern sitzen. Bis Ende 1999 sollen erste Vorschläge ausgearbeitet werden, die in einem zweiten Schritt von einer weiteren Kommission aus Bundestag und Bundesrat in konkrete Schritte umgewandelt werden sollen.
Der scheidende Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Baden-Württembergs Regierungschef Erwin Teufel, sagte, Ziel sei eine wirkliche Modernisierung. Nach 50 Jahren Grundgesetz gehe es um eine Reform der bundesstaatlichen Ordnung insgesamt. Der Bund habe zu viele Kompetenzen an sich gezogen. Der brandenburgische Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) sprach von „konstruktiven Verabredungen“.
Um die Zusammensetzung der Kommission hatte es im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz eine Auseinandersetzung zwischen den CDU- und den SPD-dominierten Ländern gegeben. Erstere wollten den Bundestag, letztere die Bundesregierung als Ansprechpartner der Länder in dem Gremium vertreten sehen.
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und sein baden-württembergischer Kollege Erwin Teufel hatten die Ansicht vertreten, daß es sinnvoll sei, künftig die Gemeinschaftssteuern zwischen Bund und Ländern zu teilen. Demnach sollte der Bund die Einnahmen aus Lohn- und Einkommensteuer erhalten und die Länder das Mehrwertsteuer-Aufkommen. Dagegen hatte sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Wolfgang Clement ausgesprochen. Dies seien wunderbare Ideen, „die werden aber nicht funktionieren“. Die Mehrwertsteuer vollständig den Ländern zuzuordnen sei nicht konsensfähig, sagte Clement. „Ich darf es ja nicht sagen, aber es wird ja wohl die Mehrwertsteuer sein, die über kurz oder lang angehoben wird.“ Clement hatte sich vor einer Woche hinter seinen Wirtschaftsminister gestellt, als dieser sich für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aussprach. Er war daraufhin von Vertretern der Bundesregierung heftig kritisiert worden.
Bayern und Baden-Württemberg wollen allerdings trotz dieser Einigung an ihrer Verfassungsklage gegen die bisherige Form des Länderfinanzausgleichs festhalten. Hessen reicht nach Angaben von Ministerpräsident Hans Eichel eine eigene Verfassungsklage nach. Der Länderfinanzausgleich regelt bislang, daß die reicheren Länder die ärmeren finanziell kräftig unterstützen müssen. Dagegen hat sich vor allem in Bayern seit längerem massiver Widerstand geregt.
Am Donnerstag hatten die Regierungschefs nach fünfstündigen Gesprächen die Debatte über medienpolitische Fragen und die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf einen Sondergipfel vertagt, der im Februar 1999 stattfinden soll. Einstimmig hatten sich die Länder für eine klare Kompetenzabgrenzung zur Europäischen Union in Fragen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Bankwesens ausgesprochen.
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