Der Nachwuchs in der Warteschleife

■ Wie beim Hamburger SV und dem FC St. Pauli mit den Amateurspielern umgegangen wird

Über die Amateur-Arbeit des Hamburger SV wird von seiten der Profiabteilung gern geschwiegen. „Ach, ich spreche da nicht drüber“, hält sich Bundesliga-Trainer Frank Pagelsdorf bedeckt. „Ich habe kaum gespielt, rede doch mit einem, der häufiger auf dem Platz war“, schließt sich Stürmer Marek Trejgis der Verschleierungstaktik seines Übungsleiters an. Dabei trainieren einige der Amateure regelmäßig bei Pagelsdorf mit. Und mit Dejan Pahovic und Jasmin Spahic haben sogar schon zwei A-Jugendliche den Sprung ins Profi-Training geschafft. Das läßt sich schlecht verheimlichen.

Bereitwilligere und positivere Auskunft geben die Amateure selbst. „Die Zusammenarbeit mit den Profis ist auf jeden Fall gegeben. Und es gibt genug Möglichkeiten von den Amateuren zu den Profis aufzusteigen“, meint Robert Matiebel. „Auch wenn viele Spieler von anderen Vereinen in die Bundesligamannschaft geholt werden, denke ich, daß das Hauptaugenmerk bei den Amateuren liegt“, so der Mittelfeldspieler. Auch sein Trainer Ralf Schehr bezeichnet die Zusammenarbeit als gut: „Einmal in der Woche treffen wir uns und reden miteinander.“

Zählt man die Vertagsamateure mit, trainieren derzeit fünf Spieler aus dem Nachwuchs regelmäßig mit den Profis. „Man muß sich nur anstrengen. Die Chance, in der Bundesliga berücksichtigt zu werden, ist immer da“, so Schehr. Als nächstes hofft der Coach, Manuel Benthin mit den Profis teilen zu können. „Er hat das Potential und muß nur etwas mehr Temperament entwickeln“, so Schehr über seinen U-19-Nationalspieler.

Daß momentan relativ wenige Kicker der Nachwuchself bei den Profis mitspielen, wird beim Blick auf die Regionalligatabelle etwas verständlicher. Der HSV nimmt den 14. Rang ein und kämpft gegen den Abstieg in die Oberliga. Wobei diese Tabelle durch Spielausfälle an Aussagekraft einbüßt. „Wir haben aber nicht ganz das erreicht, was wir wollten“, formuliert Matiebel vorsichtig. „Angestrebtes Ziel war ein Mittelfeldplatz, das haben wir leider nicht geschafft. Aber es gibt ja noch die Rückrunde“, gibt er sich hoffnungsvoll. Auf die hofft der 25jährige auch persönlich, denn mit seiner persönlichen Leistung während der Hinrunde ist er nur „durchschnittlich zufrieden“. „Es war ganz okay, aber ich kann mehr“, verspricht Matiebel.

Auch Ralf Schehr denkt, daß seine Mannschaft in der Rückrunde mehr zeigen kann und so am Saisonende einen Platz zwischen den Rängen acht und zwölf einnehmen wird. „Wir haben bis auf die 1:2-Niederlage gegen Eintracht Nordhorn in den vergangenen Wochen ganz gut gespielt und hoffen, diesen Schwung in die Rückrunde mitzunehmen. Dann kommen wir auch dahin, wo wir hin wollen“, setzt der Trainer seine Hoffnungen in die kommenden Partien. Und darauf, daß dann einige Spieler mehr die Aufmerksamkeit von Frank Pagelsdorf auf sich lenken können.

Stefanie Pape

Beim letzten Heim-Auftritt des Jahres gerieten St. Paulis Amateure doch noch ins Stolpern. Der Oberliga-Spitzenreiter verlor am Sonnabend gegen TuS Hoisdorf mit 0:1. „Diese Niederlage wirft uns nicht um“, zeigte sich Coach Joachim Pipel Philipkowski nach dem Spiel allerdings gelassen. Das stark verjüngte Nachwuchsteam vom Millerntor, dessen Heimat aber gezwungenermaßen der Platz im Sternschanzenpark geworden ist, ist schließlich immer noch souveräner Tabellenführer in der vierten Liga – und somit das einzige, was von den Visionen des im Frühjahr vollmundig gepriesenen „Konzept 2000“ übrig geblieben ist.

Die verstärkte Förderung eigener Talente schrieb der Verein damals ganz offiziell auf seine Fahnen. Der Zeitpunkt war günstig: Die eigene A-Jugend war gerade norddeutscher Meister geworden, und sieben Spieler aus dem damals von Philipkowski trainierten Team wurden in den Amateur-Kader übernommen. Philipkowski wurde – zusammen mit Ewald Reil – Coach der Oberliga-Elf und bildet, da er gleichzeitig noch Co-Trainer bei den Profis ist, die Schnittstelle zwischen beiden Abteilungen. „Man redet jetzt öfter miteinander und hat einen gemeinsamen Weg“, schildert der Ex-Spieler die Entwicklung der Zusammenarbeit.

Mittlerweile trainieren fünf junge Oberliga-Kicker bei den Profis mit. Einer von ihnen, der 18jährige Stürmer Ivan Klasnic, hat bereits einen Stammplatz bei den Profis. Der Sturzflug des Zweitliga-Teams könnte die Integration der Talente noch beschleunigen. „Wir müssen verjüngen“, konstatiert Philipkowski angesichts der sieben Spieler im Profikader, die ihren 30. Geburtstag schon feiern durften, „da sollte man auch den Mut haben, das zu tun“. Um beim Debakel gegen Uerdingen am vergangenen Dienstag ein Zeichen zu setzen, schickte Chefcoach Gerhard Kleppinger den 19jährigen Zlatan Bajramovic in der zweiten Halbzeit auf den rechten Flügel.

Der Teenager hat aber neben der Jagd nach dem runden Leder noch andere Verpflichtungen. Genau wie Torwart Frank Dröge (19) und Mittelfeld-Kollege Piotr Staczek (20) befindet er sich gerade im Abitur-Streß und kann daher nicht bei jedem Training erscheinen. Und der designierte Dammann-Nachfolger auf dem Libero-Posten, Markus Ahlf (21), verletzte sich just, als er am Ende seines Zivildienstes stand und besser verfügbar gewesen wäre.

Der Rekonvaleszent sieht das Zusammenwirken der Abteilungen als „optimal“: „Pipel sieht die Amateure fast jeden Tag und kann Kleppo berichten.“ Der Chefcoach der Profis kündigte bereits an, nach Klasnic und Bajramovic zukünftig auch weitere Heranwachsende in der Zweiten Liga einzusetzen. „Das geschieht zwar zum Leidwesen der Amateure, aber die Profis gehen vor“, bemüht sich Kleppinger dabei um sprachliche Sensibilität. Schließlich besitzen die Amateure seit Jahren einen Kreis einiger hundert Anhänger, die die Leistungen der Profis eher skeptisch betrachten und denen auch der sportliche Erfolg des Viertliga-Teams wichtiger ist. „Lieber mit den Amateuren in die dritte Liga als mit den Profis ins Nichts“, entwarfen sie 1993 ein Transparent, als in der Zweiten Liga schon einmal der Abstieg drohte. Und ihr Saisonhöhepunkt war das DFB-Pokalspiel der Amateure gegen Bayer Leverkusen, als das Team am Millerntor erst in der Schlußphase 0:5 verlor.

Folke Havekost