piwik no script img

Naturschutz für Brokhuchting kommt

■ Senatorin darf den Naturschutz in Kraft setzen / Exklusive Eigenheime in Brokhuchting könnten teuer und laut werden

„Wir sind zufrieden“, sagt Traudy Hammerström, SPD-Bürgerschaftsabgeordnete mit besonderem Engagement in Umwelt-Fragen. Im dritten Anlauf hat die CDU-Abgeordnete in der Umweltdeputation am Freitag den Bericht der Senatorin „zur Kenntnis genommen“. Damit kann die Verordnung über den Naturschutz in Brokhuchting am 15. Dezember in Kraft gesetzt werden. Drei Monate lang hatte es ein – unnötiges, wie Hammerström findet – Tauziehen um die Frage gegeben, in der Sache nämlich hat sich seit dem Senatsbeschluß im Oktober nichts geändert.

In der Sache wird sich auch in den Brokhuchtinger Feuchtwiesen nichts ändern, das Gebiet ist wegen der Bedeutung für seltene Vögel an die EU gemeldet. Naturschutz ist nicht so leicht rückgängig zu machen wie der Landschaftsschutz, der derzeit für die Gegend besteht. Und dieser Schutz zweiter Klasse soll für einen anderen Teil der Huchtinger Geest-Landschaft rückgängig gemacht werden, so hat es die Koalition 1995 vereinbart. In unmittelbarer Nähe der Bahnlinie und des Vogelschutzgebietes sollen dort teure Einfamilienhäuser entstehen. Das Wohnvergnügen dort wird allerdings besonders teuer. Denn die Umweltbehörde hat im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung auf eine lange Liste von Problemen aufmerksam gemacht. Damit die Vögel wirklich auch vor streunenden Katzen geschützt sind, soll ein 20 Meter breiter und ein Meter tiefer Wassergraben entstehen, der auf Kosten des Bauträgers instand gehalten werden muß. Straßen- und Wegeverbindungen in den Naturschutzbereich sollen zurückgebaut werden.

Die Umwelt-Verträglichkeits-Prüfung berücksichtigt auch das „Schutzgut Mensch“. An der Bahnlinie muß eine Lärmschutzwand errichtet werden und dahinter darf nicht so dicht gebaut werden wie bisher geplant, findet die Behörde. Denn die Güterzüge rattern auch nachts. Mindestabstand: 100 Meter. Der Bauträger plant, einen vier Meter hohen Wall an der Bahnlinie zu errichten und teilweise einen „Baukörper als Lärmschutzvorkehrung“, also Mietwohnungen als Schallschutzwand. Unter „Schutzgut Mensch“ führt die Umweltbehörde auch auf, daß eigentlich Wohnungsbaugebiete bevorzugt werden sollten, die an den ÖPNV angebunden sind. Das Neubaugebiet an der Eisenbahn wird aber auch eine typische Schlafstadt sein: Eine „soziale Infrastruktur“ in dem neuen Wohngebiet soll nicht entstehen, eventuell eine Kita mit „(untergeordnet) Einzelhandels-Angeboten“. Der Bauträger kann sich für 4.500 Mark pro Wohneinheit von der Verpflichtung, in dem neuen Wohngebiet für die soziale Infrastruktur zu sorgen, freikaufen.

Völlig ungelöst ist derzeit noch ein schwer zu fassendes Problem: Das Gebiet gilt bisher als ein natürliches Überschwemmungsgebiet. Die Reduzierung dieser Flächen bedroht bestehende Siedlungsgebiete im Hochwasser-Fall. Auch dafür müßte eigentlich Ersatz geschaffen werden. Insgesamt müßte begründet werden, warum bei der Fülle der vorliegenden Probleme nicht Alternativstandorte für die geplanten Wohneinheiten besser geeignet sind. „Die bisher vorgenommene Abwägung stellt diese Problemlagen zurück“, formuliert der Umweltverträglichkeits-Bericht des Umweltressorts vorsichtig. Die offizielle Begründung im Planaufstellungsbeschluß des Bausenators ist schlicht, daß die Abwanderung über die Landesgrenze vermieden werden soll.

Ob dieses Ziel höher steht als die erforderlichen Abwägungen nach dem Bundesnaturschutzgesetz, wäre die Frage. „Eine Abwägungsentscheidung zugunsten des Wohnungsbaus ist nur möglich“, schreibt die Umweltbehörde, „wenn zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses ... dies erfordern und zumutbare Alternativen ... nicht gegeben sind...“ Nur bei diesem Nachweis jedenfalls wäre die EU bereit, den bestehenden Vogelschutz aufzuheben. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen