Blind Date im Beduinenzelt

Libyens Staatschef Gaddafi empfängt UN-Generalsekretär Annan. Zusagen über die Auslieferung der angeblichen Lockerbie-Attentäter gibt er nicht  ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary

Seine Libyen-Reise war wohl eines der skurrilsten diplomatischen Unternehmen des UN-Generalsekretärs Kofi Annan. Die gegen das Gastland verhängten UN-Sanktionen und der Hang zur Show des Gastgebers, Muammar al-Gaddafi, gaben dem Ganzen eine besondere Note. Mit einer Sondergenehmigung zur Umgehung des UN-Luftembargos war der oberste UN-Diplomat am Samstag mit einer tunesischen Maschine in die libysche Hauptstadt Tripolis gereist. Von dort wurde er mit einer der wegen des Embargos schlecht gewarteten Maschinen der libyschen Fluggesellschaft weiter an die Küstenstadt Siirt gebracht. Aber selbst dort machte sich der Gastgeber rar. Schließlich begab sich Annan, nur von zwei seiner Assistenten begleitet, auf eine zweistündige Wüstentour, um dort endlich in einem Zelt von der Größe eines doppelten Tennisplatzes von Gaddafi empfangen zu werden.

Die Show war perfekt, nicht aber das Ergebnis. Ein Schlußstrich konnte mit einer endgültigen Zusage einer Auslieferung der zwei vermeintlichen libyschen Lockerbie-Attentäter nicht gezogen werden. Dafür verlegte Annan seine Hoffnung auf die Zukunft: „Erwarte, glaube, vertraue und habe den Willen“, umschrieb er den Stand der Dinge in der nun fast zehn Jahr andauernden Affäre.

Drei Jahre hatten die Untersuchungen über die Umstände der Explosion des Pan-Am-Flugs 103 über dem schottischen Lockerbie am 21. Dezember 1988 angedauert. Bei dem Absturz des Jumbos auf dem Weg von London nach New York waren 270 Menschen umgekommen. Die Regierungen Großbritanniens und der USA forderten anschließend die Auslieferung von Abdel Basset Megrahi und Lamin Chalifa Fhimah, zwei des Anschlags verdächtigte libysche Geheimdienstler. Das Anliegen stieß in Tripolis auf taube Ohren. Seit April 1992 ist daher ein vom UN-Sicherheitsrat verhängtes Embargo in Kraft, das Flüge von und nach Libyen und die Lieferung von Waffen, Ersatzteilen für die libysche Ölindustrie sowie diverser technischer Gerätschaften verbietet.

Ende letzten Jahres stimmte die libysche Regierung dann einem Prozeß gegen die beiden Verdächtigen nach schottischem Recht und mit schottischen Richtern zu – allerdings nicht auf britischen Boden. Die Regierungen in London und Washington bestanden dagegen auf einem Prozeß in den USA oder in Großbritannien.

Nach Kontakten zwischen Anwälten der Angehörigen der Lockerbie-Opfer und der libyschen Führung gaben sie jedoch Ende August dieses Jahres ihr Okay für einen Prozeß in einem neutralen Land. Drei Wochen später akzeptierte auch Tripolis offiziell ein solches Verfahren. Ausgewählt wurde ein ehemaliger US-Luftwaffenstützpunkt, 30 Kilometer von Amsterdam entfernt. Seitdem hadern UN-Anwälte und libysche Juristen um die Details dieses Prozesses. Knackpunkt ist, wo die beiden im Falle einer Verurteilung ihre Strafe absitzen. Libyens Führung fordert: in Libyen.

Innenpolitisch scheint das Regime eine Auslieferung vorzubereiten. Vergangenen Monat wurden zwei Geheimagenten und ein Regierungsvertreter wegen „Vernachlässigung ihrer Pflichten“ zu Haftstrafen verurteilt. Sie hatten zur Zeit des Lockerbie-Attentats wichtige Positionen im Sicherheitsapparat. Libysche Oppositionelle glauben, daß damit der Boden für eine Auslieferung von Megrahi und Fhimah bereitet werden soll. Zur „Schadensbegrenzung für das Regime“ solle verhindert werden, daß die jetzt hinter libyschen Gittern Sitzenden, als Zeugen in die Niederlande gerufen werden.