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Bunkerkadaver: Der Deutsch-Israeli Ricardo Stein zeigt in der Villa Ichon fotografische „Spuren des Vergehens“

Ricardo Stein steht früh auf, wenn er muß. Für seine Bilder von den Bunkern an der südfranzösischen Atlantikküste braucht der 1951 in Freiburg geborene Künstler fahles, gräuliches Morgenlicht. Und Ebbe braucht er auch. Denn erst dann werden die zum Teil in den Sand eingesunkenen und mit Algen bewachsenen Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg sichtbar. Und erst dann kann der Malerfotograf sie so ablichten, daß sie aussehen wie monolithische Gebilde ohne Umgebung, wie Objekte ohne zeitliche und räumliche Bestimmbarkeit.

Rund zwei Dutzend dieser Bunkerbilder Ricardo Steins sind jetzt im Format 70 mal 90 Zentimeter in der Villa Ichon ausgestellt. Unter dem Titel „Spuren des Vergehens“ ist fünf Jahre nach seiner Rauminstallation „Persisches Kreuz“ im Bremer Dom wieder Kunst von Ricardo Stein in Bremen zu sehen. „Er kommt von der Malerei, doch jetzt wendet er sich immer mehr der Fotografie zu“, weiß Elvira Noa, die sonst als Sprecherin der Jüdischen Gemeinde tätig ist und als bekennender Fan von Steins Kunst die Ausstellung nach Bremen geholt hat.

Neben den Bunkerbildern gehören für Stein noch vier weitere Themen zu den „Spuren des Vergehens“. Ein Schiffswrack im Bremer Blockland, in den Pyrenäen entdeckte Tierkadaver sowie Strohballen und Reetgrasbündel interessieren den zwischen seinen beiden Wohnsitzen Paris und Jerusalem hin- und herpendelnden Künstler. Immer greift er in die beobachteten Szenen ein, inszeniert und manipuliert.

Bei den Bunkerbildern ist die Umgebung weitgehend getilgt, die Tierkadaver sind durch einen Blaustich verfremdet, und das Stroh ist durch Nahaufnahme zur Struktur reduziert. Mit Dokumentation hat Ricardo Steins Fotografie nichts zu tun. Die größtenteils bedeutungsschwangeren und schon oft von KünstlerInnen gesehenen Motive wie Bunker oder Kadaver lösen sich in nüchternen Farbstrukturen auf. Geheimnis und Geschichte der Motive bleiben verborgen. Keine Verstörung, nirgends. ck

Ricardo Stein „Spuren des Vergehens“ bis zum 20. Januar in der Villa Ichon; Eröffnung heute, 8. Dezember, um 19.30 Uhr – Stein ist anwesend.

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