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Neue Hatz auf Dissidenten in der Islamischen Republik

■ Die Anzahl der spurlos verschwundenen und ermordeten iranischen Regimekritiker steigt

Berlin (taz) – Erneut ist ein iranischer Literat in Teheran spurlos verschwunden. Seit Donnerstag vermissen Angehörige den Schriftsteller und Lyriker Mohammad Mochtari. Das bestätigte gestern der in Deutschland lebende Schwager des 56jährigen.

Mochtari gilt bei Irans Behörden als Regimekritiker. 1994 stand sein Name unter dem „Aufruf der 134“, einem Appell zur Gründung eines unabhängigen Schriftstellerverbandes. Im vergangenen Oktober wurde er gemeinsam mit fünf anderen Literaten vorübergehend festgenommen.

Mochtari ist nicht der erste Dissident, der in den letzten Wochen verschwand. Einige wurden inzwischen tot aufgefunden. So vermeldete die Tageszeitung Hamschahri (Mitbürger) vor zwei Wochen den Tod von Madschid Scharif. Der Soziologe war mehrere Tage verschwunden, bis seine Leiche auf der Straße gefunden wurde. Offiziell lautet die Todesursache „Herzinfarkt“, Oppositionelle sprechen von Mord.

Scharif war ein Freund von Dariusch Foruhar. Der Vorsitzende der illegalen Iranischen Nationalpartei und seine Frau Parvaneh wurden am 22. November ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden. Irans Behörden behaupten, Hintergrund des Doppelmordes sei privater Streit. Die in London erscheinende Oppositionszeitung Kayhan berichtet dagegen, der Anschlag sei vom staatlichen „Komitee für Sonderangelegenheiten“ vorbereitet worden, jenem Gremium, das auch für den Anschlag auf vier oppositionelle iranische Kurden 1992 in dem Berliner Restaurant „Mykonos“ verantwortlich sein soll. Laut Kayhan London wurde das Kommando, das den Mord an Foruhar und seiner Frau verübte, von Mohammad Asadi geleitet. Der Geheimdienstler soll auch den Anschlag auf Schapur Bachtiar, Irans letzten Premierminister unter dem Schah, 1991 in Paris geleitet haben.

Ungeklärt ist das Schicksal von Pirus Davani. Der Gründer der „Vereinigung für Demokratie in Iran“ ist seit dem 25. August verschwunden. Iranische Dissidenten berichteten in einem offenen Brief, seine Familie habe anonyme Anrufe erhalten, wonach Davani hingerichtet worden sei.

Hintergrund ist wahrscheinlich der Machtkampf zwischen Irans konservativen Klerikern, für die Andersdenkende potentielle Todeskandidaten sind, und dem moderaten Präsidenten Mohammad Chatami. Der warnte gestern vor Studenten, „Faschismus auf der Grundlage von Religion zu rechtfertigen“. Thomas Dreger

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