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Bannstrahl trifft Rumäniens Nationalisten

Erstmals ruft Rumäniens Staatschef Emil Constantinescu zum Vorgehen gegen die Groß-Rumänien-Partei auf. Derweil erfreut sich die Gruppierung des Antisemiten Tudor im Land wachsenden Zuspruchs  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

Rumäniens Staatspräsident Emil Constantinescu will die faschistische Groß-Rumänien-Partei, die im Parlament mit fünf Prozent vertreten ist, aus dem politischen Leben seines Landes verbannen. Während einer Feier zum 7. Jahrestag der rumänischen Verfassung sagte Constantinescu am Dienstag in Bukarest, wer die Einrichtung von Konzentrationslagern und Hinrichtungen in Fußballstadien fordere, habe im politischen Leben nichts zu suchen.

Es ist das erste Mal seit seinem Amtsantritt Ende 1996, daß Constantinescu zu einem entschlossenen Vorgehen gegen die Groß-Rumänien-Partei aufruft, und das erste Mal seit 1990, daß ein hochrangiger rumänischer Staatsmann eine derartige Forderung erhebt.

Die Groß-Rumänien-Partei erlebt derzeit einen besorgniserregenden Aufstieg und liegt in Umfragen bei bis zu 18 Prozent. Zu ihren Forderungen gehören die Einführung einer Militärdiktatur, die Aufhebung der Gewaltenteilung, die Ghettoisierung von Roma, die Einkerkerung von Politikern der ungarischen Minderheit und die Abschaffung der Eigentumsgarantie. Chef der Groß-Rumänien-Partei ist der 49jährige antisemitische Publizist Corneliu Vadim Tudor, ein ehemaliger Hofdichter des Diktators Ceaușescu. Tudor war schon vor 1989 für seine antisemitischen Ausfälle berüchtigt und gehörte zum Kreis um die Securitate- Zeitschrift Saptamina (Die Woche). Nach dem Sturz von Ceaușescu wurde die Groß-Rumänien- Partei zum Sammelbecken für Ex- Securitate-Offiziere und rumänische Nationalisten. Ideologische Vorbilder der Partei sind der militärfaschistische Diktator Ion Antonescu und der nationalkommunistische Diktator Ceaușescu.

Propagandaorgan der Partei ist die Zeitschrift Romania Mare (Groß-Rumänien), ein Wochenblatt im Stil des nationalsozialistischen Stürmers. Wegen zahlreicher chauvinistischer und antisemitischer Artikel und persönlicher Verleumdungen laufen gegen den Groß-Rumänien-Partei-Chef Dutzende von Prozessen. Sie haben jedoch kaum Aussicht auf Erfolg, weil Tudor als Senatsabgeordneter Immunität genießt.

In den vergangenen Jahren scheiterten Versuche, Tudors Immunität aufzuheben, an der „Partei der sozialen Demokratie“ des ehemaligen Staatspräsidenten Ion Iliescu, obwohl Tudor unter anderem auch die öffentliche Hinrichtung des ehemaligen Staatspräsidenten gefordert hatte. Die Iliescu-Partei benötigte die Groß-Rumänien-Partei bis zum Regierungswechsel 1996 als Mehrheitsbeschafferin im Parlament und stimmte deshalb gegen eine Aufhebung der Immunität Tudors. Mitverantwortung am Aufstieg der Groß-Rumänien-Partei trägt jedoch auch die heute an der Regierungskoalition beteiligte Demokratische Partei. Ihr Chef, Petre Roman, hatte 1990 die Gründung der Partei und ihres Hetzblattes mit unterstützt.

Zur Zeit liegt im Parlament erneut ein Antrag zur Aufhebung der Immunität Tudors vor. Auch dieser hat wenig Chancen, abgestimmt zu werden, da die nationalistischen und neokommunistischen Oppositionsparteien sich sperren. So etwa wies Ex-Staatspräsident Ion Iliescu gestern die Forderungen Constantinescus zurück. Es sei deplaziert, zur Feier der Verfassung die Ausgrenzung einer politischen Partei zu fordern, sagte er.

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