Mit Volldampf ins Impeachment

■ Den Zeugen von US-Präsident Bill Clinton ist es nicht gelungen, den Rechtsausschuß des Repräsentantenhauses umzustimmen

Washington (taz) – Sogar Bertold Brecht wurde bei der Debatte um das Impeachmentverfahren gegen US-Präsident Bill Clinton bemüht: „Vielleicht sollte sich der Rechtsausschuß ein anderes Publikum wählen“, zitierte – nicht ganz korrekt – Nicholas Katzenbach den deutschen Dichter. Denn nach wie vor wünscht eine Mehrheit der US-Amerikaner keine Amtsenthebung Clintons. Der Justizminister unter Präsident Lyndon B. Johnson war als einer von vierzehn Entlastungszeugen vor den Rechtsausschuß des US-Repräsentantenhauses geladen. Ein Impeachmentverfahren sei nur zulässig, dozierte er, wenn der Präsident das Vertrauen der Öffentlichkeit verloren hätte. Das sei offensichtlich nicht der Fall.

Zwei Tage lang sagten vor dem Ausschuß Rechtsgelehrte, Juristen und Abgeordnete aus der Zeit des Verfahrens gegen Nixon aus. Das Weiße Haus verlegte sich nicht mehr wie bei der ersten Anhörung darauf, den Ankläger Kenneth Starr und seine Ermittlungsmethoden anzugreifen – keiner der Zeugen bezweifelt die Fakten, die er zusammengetragen hatte.

Statt dessen erläuterten die Zeugen des Präsidenten die verfassungsmäßige Bedeutung des Amtsenthebungsverfahrens. Amtsenthebung sei keine Strafe für begangene Verbrechen, sondern ein Instrument zum Schutz von Staat und Volk vor Amtsmißbrauch, erklärte Katzenbach. Sean Wilentz, Historiker von der Harvard-Universität, malte aus, was ein Impeachmentverfahren für das Land bedeuten würde, wenn es ab Januar nächsten Jahres vor dem Senat verhandelt würde. Auf Monate würden Senat und Oberstes Gericht, dessen Vorsitzender die Verhandlungen leiten würde, von dringenden Geschäften abgehalten. Ganz klar wurde aber nicht, warum das Verfahren vor dem Senat nicht genauso wie die Vorermittlungen des Rechtsausschusses auch ohne nochmalige Zeugenvernehmungen auskommen würde und in einigen Tagen oder Wochen über die Bühne gehen könnte.

Auf eine verfahrenstechnische Schwierigkeit machte Bruce Ackerman, Rechtsgelehrter an der Yale University, aufmerksam. Sollte das Repräsentantenhaus, das im November bereits neu gewählt wurde, aber dessen alte Legislaturperiode erst im Januar abläuft, tatsächlich noch ein Amtsenthebungsverfahren einleiten, sei nach der Neukonstitutierung des neuen Kongresses im Januar der neue Senat keineswegs gehalten, das Impeachment des alten Repräsentantenhauses zu verhandeln. Das sei wie mit jeder Gesetzesvorlage: Was in der alten Legislaturperiode nur von einer der beiden Kammern verabschiedet sei, müsse in der nächsten Legislaturperiode völlig neu aufgegriffen werden. Und im neuen Repräsentantenhaus haben die Republikaner nur noch eine knappe Mehrheit von sechs Stimmen.

Nach den Stimmenverlusten der Republikaner bei den Wahlen im November hatte es zunächst so ausgesehen, als wäre der Impeachmentzug zum Stillstand gekommen, jetzt aber steht er wieder voll unter Dampf. Die Mühlen des Justizausschusses mahlen langsam, aber unerbittlich. Die Empfehlung eines Amtsenthebungsverfahrens des Präsidenten durch den Rechtsausschuß am kommenden Samstag ist so gut wie sicher, daran haben die Zeugen für den Präsidenten nichts geändert.

Fraglich ist allerdings, ob sich im Plenum des Repräsentantenhauses nächste Woche eine Mehrheit für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens findet. Nach unterschiedlichen Schätzungen schwanken bis zu einem Dutzend republikanischer Abgeordneter, wie sie sich entscheiden sollen. Der Impeachment-Beschluß könnte also knapp die erforderliche einfache Mehrheit verfehlen.

Sollte es zu einem solchen Beschluß kommen, würde der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Henry Hyde, die Rolle des Anklägers übernehmen, der Senat die von Geschworenen. Abgesetzt wäre Clinton, wenn zwei Drittel der Senatoren ihn der Anklagepunkte für schuldig befinden. Die Republikaner verfügen jedoch über keine derartige Mehrheit. Peter Tautfest