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Welterbe in Arbeit

Die Elbe gehört zur deutschen Sehnsuchtsgeographie. Eine Kampagne der Deutschen Umwelthilfe und des G & J- Verlags für „die lebendige Elbe“ will das Unescoprädikat „Welterbe“ für den Fluß und dessen Landschaft durchsetzen  ■ Von Christel Burghoff

Und wieder dieses historische Feeling. So unverbaut wie die Elbe stellt man sich die großen Flüsse früher vor. Zugegeben, sie ist über tausend Kilometer lang, sie entspringt im tschechischen Riesengebirge und sieht auf ihrem langen Weg in die Nordsee wahrhaftig mehr als wir. Wir dagegen, die Gruppe Umweltschützer, Journalisten und Vertreter der Wirtschaft, stehen auf der Bastei im Elbsandsteingebirge und genießen den besten Blick, den es auf die Elbe gibt.

Von hoch oben, von den berühmten Steinzinnen, überblicken wir die Landschaft nach Tschechien und in der anderen Richtung nach Dresden hin. Caspar David Friedrich, der Maler der Romantik, war vor langer Zeit auch hier. Er hat diese deutschen Landschaften gemalt.

Vielleicht würde er sich heute stolz zurücklehnen. Er reihte diesen Ort in die Sehnsuchtsgeographie der Deutschen ein. Später wurde die Sächsisch-Böhmische Schweiz zum Schutzgebiet. Demnächst könnten die Elbelandschaften zur internationalen Welterbegemeinschaft der Unesco zählen. Kein schlechter Platz für einen deutschen Strom: Er wäre ein weiteres der derzeit 552 Natur- bzw. Kulturobjekte von „einzigartigem Wert“ – neben solch illustren Adressen wie Theben, Mount Everest oder den Galapagosinseln.

Großes steht an, seit sich die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Verlag Gruner & Jahr für das Projekt „Lebendige Elbe“ zusammengetan haben. Ihre Planung sieht für die Elbtalauen von der Quelle bis zur Mündung das Prädikat der Unesco vor. Vier Nationalparks (Sächsische Schweiz, Riesengebirge, Niedersächsisches Elbtal, Wattenmeer), das Biosphärenreservat an der mittleren Elbe und einige weitere Schutzgebiete umfaßt das Projekt, außerdem etliche „kulturelle Reichtümer“ (etwa das Dessau-Wörlitzer Gartenreich mit seinen Tausenden Solitäreichen, die Lutherstätten in Wittenberg und das Dessauer Bauhaus).

„Lauter Perlen an der Schnur“, wie Professor Gerhard Thielke von der DUH das Konzept mit poetischen Worten erläutert. Ein Naturschutzkonzept nämlich, das keine neuen Schutzgebiete schafft, sondern die bestehenden mit dem Welterbeprädikat der Unesco schmückt.

Aber noch ist es nicht soweit. Die Antragstellung ist Aufgabe der Bundesregierung. Die mittlerweile abgelöste Helmut Kohls hatte über das Auswärtige Amt die ersten nötigen Schritte eingeleitet, um das Projekt auf die Benennungsliste der Unesco zu setzen. Nichtstaatliche Fachverbände werden es begutachten. Aber erst im Jahr 2000 werden wir wissen, ob die Aufnahme in das Welterbeprogramm funktioniert hat. Und noch sind viele der „Perlen“ in Arbeit. Etwa die Wiederansiedelung der Lachse. Wie aus allen deutschen Flüssen verschwanden sie vor rund fünfzig Jahren. Jetzt sollen sie wieder heimisch werden.

An der Polenz, einem der Elbzuflüsse, fängt man uns einige Jungfische, damit wir auch glauben können, was da in Arbeit ist. Mit etwas Glück hätten wir Zeugen des historischen Augenblicks werden können, an dem der erste Lachs die Wanderung stromaufwärts in sein Ursprungsgewässer bewältigt hat.

Über fünfzig ausgewachsene Lachse sollen inzwischen die rund neunhundert Kilometer aus dem Atlantik an Hamburg, Dresden und allen Hindernissen wie Wehren, Anglern und lebensvernichtender Giftgülle vorbei in ihre Ursprungsgewässer geschafft haben. Dorthin zurück, wo sie vor Jahren ausgesetzt worden sind. Ob die Rückkehrer einen dauerhaften Lachsbestand aufbauen können, ist natürlich längst nicht ausgemacht. Aber derzeit jubeln die Naturschützer über den Erfolg.

Für drei Jahre sponsert das Verlagshaus Gruner & Jahr die „Lebendige Elbe“ mit insgesamt 600.000 Mark. Und es trommelt für den guten Zweck. Andere Sponsoren wie Kyocera Electronics und die Storck-Foundation haben sich angeschlossen. Von der französischen Loire weg wurde der Umweltaktivist Roberto Epple engagiert. Seine Organisation River Networks leitet die Elbekampagne. Im nächsten Jahr, zum Abschluß, ist eine Wanderausstellung geplant. Sie wird die „Lebendige Elbe“ dokumentieren. Mit vielen schönen Bildern – nicht bloß für die Unesco.

Ziel der Deutschen Umwelthilfe ist es auch, an der Elbe neue Strategien durchzusetzen. „Wir wollen von Verboten wegkommen und über Lob motivieren“, präzisiert Jürgen Resch von der DUH. Gemeinsam mit der Industrie und zahlreichen Naturschutzgruppen vor Ort soll der „Stolz der Menschen gekitzelt“ werden. Resch glaubt, daß man es so künftig leichter haben wird, „Eingriffsplanungen“ im Elbebereich abzuwehren. Renommierprojekte wollen nicht angetastet werden.

Information: www.rivernet.org/elbe.htm

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