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Geld und Erfolg für die Filme aus Berlin

Klaus Keil, Intendant der Filmboard Berlin-Brandenburg GmbH, hat in diesem Jahr Erfolgsstreifen wie „Lola rennt“ ins Kino gebracht. Man nennt ihn den „Kommerz-Keil“, aber die Filmszene hat sich seit seinem Amtsantritt 1994 in Berlin positiv verändert. Ein Porträt  ■ von Rolf Lautenschläger

Der Autorenfilm ist tot. Das Kino lebt. Klaus Keil weiß das. Keil liebt Filme, die produziert und abgedreht werden, die einen Verleih finden, im Kino laufen – und Erfolg haben. Er schätzt sie mehr als jene, die in den Regalen der Regiekünstler verschimmeln. Davon hat niemand etwas, am wenigsten das Publikum. Da fallen ihm Sätze ein wie diese: „Mag sein, daß ich zu sehr in diese Kerbe reinhaue, aber warum beklagen wir den Niedergang des Autorenfilms der 70er Jahre? Die Zeit der unikaten Begabungen ist vorbei. Die Neuen, und das sind nicht wenige, wollen eher Filme machen, die geil oder cool sind. Da steckt Marktbeobachtung dahinter.“

Neulich ist wieder eines dieser Projekte der „Neuen“ des deutschen Films im Kino gestartet. „Lola rennt“ von Tom Tykwer heißt der Streifen über eine durchgeknallte Berliner Type, die durch die halbe Stadt hetzt, um ihren Freund von einem Überfall auf einen Supermarkt abzuhalten. Der Film ist wie der Titel ein Renner, ausverkauft in den meisten Filmtheatern und nicht totzukriegen in den Medien. „Lola rennt“ brennt. Der Regisseur lacht im Hochglanzformat, die Stars, Franka Potente und Moritz Bleibtreu, sind Stadtgespräch. Klar freut sich Klaus Keil über den gutgemachten Film im Stil eines Videoclips – mit rasanten Kamerafahrten, schnellen Schnitten und witzig erzählten Episoden. Was ihn jedoch wirklich interessiert, ist, daß der Film Geld einspielt und Erfolg hat.

Klaus Keil wird in der Branche der „Kommerz-Keil“ gescholten. Der Intendant der Filmboard Berlin-Brandenburg GmbH hat das Credo ausgegeben, daß Filme in erster Linie Ware und in zweiter Linie Kunst sind. Seither gelten Autorenfilmer als out im Filmboard und Produzenten als in. Seither hält man Keil vor, Großprojekte mehr zu lieben als das „wahre“ Kino und den Erfolg eines Films am Einspielergebnis zu messen und nicht an der Qualität der Drehbücher und Regieeinfälle.

Um das Filmboard auf dem Studiogelände der Medienstadt Potsdam-Babelsberg machen seit Keils Amtsantritt 1994 die Filmkünstler zwar keinen Bogen, aber sie betreten das Areal mit Mißtrauen. Die Liste der geförderten Filme wie „Werner – Der Metülisator“, „Männerpension“ oder „High Command“ samt der Verleihförderung für einen „Asterix„- Streifen hat die Befürchtungen der Kritiker bestätigt, daß da jemand gegen die Filmkunst keilt. „Ich bin keiner, der huldvoll das Geld verteilt“, sagt der Intendant, „ich bin jemand, der Verantwortung hat für Projekte, Menschen und Strukturen.“ Wenn dann der Intendant dieser länderübergreifenden Filmförderungsanstalt hinzufügt, er trage auch Verantwortung gegenüber den Kulturpolitikern beider Länder und dem Steuerzahler, für öffentliche Gelder, ein breites Publikum und den Markt, klinken zartbesaitete Drehbuchautoren und Regisseure schon mal aus. Kommerz-Keil wird dann zum Terminator, zum Tycoon eines Studiosystems oder schlichtweg zum Big Boss des Wirtschaftsfaktors Film.

Keil hat sein Quartier – wie einst die Großen des deutschen Films – in Potsdam-Babelsberg aufgeschlagen. Marlene Dietrich, Fritz Lang, Heinrich George haben hier gedreht. Joseph Goebbels ließ hier die Allmachtsphantasien der Nazis und komödiantische Durchhaltefilme inszenieren, die DDR-Filmkünstler Heiner Carow oder Konrad Wolff schufen an diesem Ort Meisterwerke des sozialistischen Realismus. Heute managt das Gelände ein französischer Investor, der die Hallen und Flächen vermietet, bebaut und verkauft sowie zum Zentrum der Filmindustrie in Berlin und Brandenburg entwickelt. Soap-operas für private Fernsehanstalten, deutsche Filme und Kinohits amerikanischer Hollywood-Konsortien werden hier produziert, aber auch die Filmhochschule und der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg, ORB, sind Nutzer des Areals.

Wer Büros deutscher Filmemacher kennt, mit ihrem spezifischen Charme aus Drehbuchbergen, vollgestopften Aschenbechern und Kaffeetassen, Requisitenresten, Filmdosen und vergilbten Plakaten sieht sich in Keils Büro einer anderen Welt gegenüber. Kühl und sachlich, aufgeräumt und organisiert ist das Ambiente, in dem Keil managt. Da sitzt er, 55 Jahre alt, verheiratet, in seinem Anzug, mit hellem Hemd und Krawatte, aufgeräumt, freundlich und präzise in seinen Antworten. Und er doziert. Nicht über Filme, sondern über das Machen von Filmen. Geschichten müssen „gut erzählt“, Stoffe bis ins Detail ausgearbeitet sein. Projekten muß ein Finanzierungsplan zugrunde liegen. Wer sein Drehbuch bei Klaus Keil einreicht, muß möglichst einen Produzenten an der Hand haben, am besten gleich noch den Verleiher und das Marketing. Mag sein, daß sich die klassischen Filmemacher und Regisseure da vorkommen wie bei dem Manager eines Kreditunternehmens, der nach den Sicherheiten fragt. „Der Film ist ein Produkt, das viele herstellen, an dem viele partizipieren und das viel Geld kostet. Ohne dieses Betriebsmittel läuft nichts. Ich will, daß die Macher begreifen, daß es ihnen selbst nutzt, wenn ihr Produkt ausgearbeitet und gut kalkuliert ist, fertiggestellt wird und im Kino läuft.“ Filmemachen erfordere Fachwissen und Kunstverstand. Nur wer den Weg kennt, kommt ans Ziel. Das Ziel heißt Kino.

Der Weg dorthin führt über die Qualität der Arbeit und das Geld, das Keil bereitstellt. 1997 waren es insgesamt 27,8 Millionen Mark, die in 121 Projekte flossen. Für Stoffentwicklung stellte die Filmboard 730.000 Mark zur Verfügung; 1,7 Millionen Mark erhielten Drehbuchautoren und Firmen für die Projektentwicklung. Den fettesten Batzen machte die Produktionsförderung aus: 20,8 Millionen Mark. Von 1994 bis 1997 sagte Keil Fördermittel in einer Höhe von 110,2 Millionen Mark zu. Außerdem wurden 1997 Finanzierungsquellen öffentlicher und privater Fernsehsender im Gesamtvolumen von 14 Millionen Mark angezapft. „Aimeé und Jaguar“ mit Maria Schrader erhielt Geld, ebenso die Streifen „Hannahs Ragtime“ mit Martin Benrath, „Liebe deinen Nächsten“ von Detlef Buck, „Das Mambospiel“ mit Corinna Harfouch und der Dokumentarfilm „Die Insel“ über das Sterben eines Eilands nach der Umweltkatastrophe im Aralsee.

Als Intendant entscheidet Keil, welches Drehbuch oder Projekt gefördert wird und damit den Produzenten finanzielle Vorlagen gibt, um mit Fernsehsendern und anderen Filmförderungsanstalten kooperieren zu können. „Ich lese die meisten Drehbücher, alle schaffe ich nicht“, sagt er. Jede Woche organisiert er Fördersitzungen mit seinem Team, läßt die Projekte auf Dramaturgie, Inhalt, Besetzung, Stab und Realisierbarkeit überprüfen. Jedes Projekt wird zweimal diskutiert, dann wird ein Fazit erstellt und eine Akte angelegt. „Ich kenne jede Akte.“ Das glaubt man ihm aufs Wort, dem Intendanten mit dem Dozentenblick. Und man glaubt ihm auch, wenn er sagt: Zuletzt entscheide ich.

Seit Klaus Keil die Drähte zwischen den Filmemachern und dem Geld zieht, hat sich in Berlin die Atmosphäre des Filmemachens gewandelt. Vorbei sind die 80er Jahre, wo sich Drehbuchautoren allein mit ihrem Exposés auf den Weg zur Berliner Filmkredittreuhandgesellschaft FKT machen mußten, um von einem Gremium der Senatsverwaltung für Kultur ein paar Mark für ihre Projekte zu erhalten. Die Filme wurden dann hoch verschuldet realisiert oder einfach abgebrochen. Gekümmert hat diese Form des Dilettantismus wenige. Nicht nur eine ganze Generation von Regisseuren verblutete an diesem Fördersystem, auch der Marktanteil Berliner Filmproduktionen war bundesweit gering und international beinahe bedeutungslos. Das Kino besetzten Filmemacher aus München, Hamburg und Nordrhein-Westfalen; Regionen, in denen eine finanziell starke und lokal ausgerichtete Förderung längst praktiziert wurde.

Klaus Keil hat das Intendantenmodell, das die Länder Berlin und Brandenburg 1994 installierten, um die Region und den Medienstandort Babelsberg zu stärken, gleich fasziniert, weil pädagogische Aufbauarbeit gefragt war. Keil kannte die Branche und ihre Schwierigkeiten. Nach dem Studium der Kunstgeschichte und Betriebswirtschaft hatte er sich über die Ochsentour ins Filmgeschäft hineingewurschtelt. Vom Regieassistenten, unter anderem bei Volker Schlöndorff, über Produktionsleitungen bei großen Streifen bis zum Co-Herstellungsleiter der Bavaria Film Gesellschaft ackerte er sich hoch, wurde nicht Regisseur und Künstler, sondern managte Kalkulationen und Sets, organisierte Drehtage und Produktionen. Der Weg über die Praxis führte Keil 1989 an die Münchener Filmhochschule für Film und Fernsehen, wo er den neuen Studiengang Produktion und Medienwirtschaft aufbaute. Daß man den Nachwuchs heute nicht ohne theoretische Ausbildung auf den Drehplan und die Studios loslassen sollte, gehörte zu den Maximen des Hochschullehrers. Film sei heute ein komplexes, hochdifferenziertes Geschäft, das einer allein – und damit sind wieder die Autorenfilmer gemeint, die vom Drehbuch bis zum Schnitt alles in der Hand behalten wollten – gar nicht schaffen würde.

Keil ist bis dato der Professor geblieben. Die Seminare, die das Filmboard veranstaltet, nennt Keil darum „Seminare zur Bewußtseinsveränderung“. Erstlingsfilmer, Kinder- und Kurzfilmer, Dokumentaristen, Nachwuchsautoren müssen wissen, wie die Profession sich gestaltet. „Wir geben mehr als Geld“, sagt Keil, aber ohne Geld geht nichts. „Das ist wie beim Wagenrennen im alten Rom.“ Wer mehr Pferde hat, gewinnt.

Guckt man genauer hin, wird aus Kommerz-Keil, dem Manager und Big Boss des Filmboards, ein Filmfreak. 160 Preise und Prädikate haben die vom Filmboard geförderten Projekte abgeräumt. 1997 gab es einen Rückfluß getilgter Darlehen von 5,7 Millionen Mark. „Ich denke an beides, die Filmkunst und das Filmgeschäft, und dieses könnte ohne den künstlerischen Aspekt gar nicht existieren.“ Und den zu fördern, gehört ebenso zu den pädagogischen Aufgaben des Professors. „Es gibt in der Stadt ein nervöses, unberechenbares Klima, das genau das richtige ist für Filmemacher.“ Die Region Berlin-Brandenburg hat in den vergangenen Jahren als Produktionsstandort sowohl national als auch international an Profil dazugewonnen.

Die Stadt und ihr Umland sind Kulisse, sind fester Dreh- und Produktionsstandort geworden. „Hier verändert sich der Nährboden für Kreative“, erklärt Keil und meint die Unruhe in der Stadt und der Filmwirtschaft, den Umbruch der DDR-Filmproduktion im Ostteil Berlins und in Potsdam sowie den Anspruch der jungen Filmemacher, die Autoren-Opas abzulösen. „Weil hier wenig in der Ordnung ist, zieht das an.“ Wo alles festgefügt ist, geht niemand hin.

Die neue Generation will etwas anderes, weiß Keil. Er sieht eine andere Art von Filmemachern und Geschichtenschreibern kommen, „neue Realisten“ nennt er sie, die die Themen der Zeit und der unmittelbaren Vergangenheit erzählen wollen.

Das sind dann die sperrigen Filme, die Filme, die das Flirrende der heutigen Berliner Zeit, die Ost-West-Spannungen und anderes auf die Leinwand bringen werden. „Die sind noch nicht da, die local stories for global market. Vielleicht sind die noch nicht reif, noch nicht...“ Keil wird daran arbeiten, er wird die Autoren in die Werkstätten stecken, die Macher das Filmen lehren, die Produzenten zum Kalkulieren und Sparen anhalten.

Er will, daß die Filme im Kino laufen – daß sie erfolgreich laufen. Erst dann kann sich der Kinomacher über die Geschichten, die Bilder, das „wahre Kino“ freuen. Erst dann ist für ihn cut.

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