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Das neue Gesetz ist mehr Schein als Sein

■ Die jüngst vom Bundestag verabschiedete Regelung gegen die Scheinselbständigen sieht keine stärkeren Betriebskontrollen vor

Berlin (taz) – Das neue Gesetz zur Eindämmung der Scheinselbständigkeit wird nicht viele der Betroffenen in die Sozialversicherung zwingen. „Das Gesetz ist auf halbem Wege steckengeblieben“, rügt Christiane Zerfaß, Sprecherin der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV). Die Ausnahmeregelungen und die Frage der Gesetzeskontrolle seien noch ungeklärt.

Die vergangene Woche im Bundestag verabschiedete gesetzliche Regelung – sie muß noch vom Bundesrat gebilligt werden – sieht vor, daß Erwerbstätige künftig als „scheinselbständige Arbeitnehmer“ gelten, wenn sie mindestens zwei der folgenden vier Kriterien erfüllen: Sie beschäftigen keine Angestellten, sie arbeiten nur für einen Auftraggeber, sie unterliegen Weisungen des Auftraggebers und treten nicht als eigene Person unternehmerisch am Markt auf.

In diesen Fällen wird vermutet, daß eine Arbeitnehmerbeschäftigung vorliegt. Der Betroffene und sein Auftraggeber haben die Möglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, etwa indem sie nachweisen, daß auch noch für andere Auftraggeber gearbeitet wird.

Wird die Vermutung nicht widerlegt, müssen Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Ausgenommen von dieser Regelung sind Handelsvertreter. Deshalb gelte das neue Gesetz möglicherweise nicht für Propagandistinnen im Handel, befürchtet Zerfaß von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen.

Wer keine Angestellten hat und in der Regel nur für einen Auftraggeber arbeitet, gilt laut neuem Gesetz in jedem Fall als „arbeitnehmerähnlicher Selbständiger“ und muß in die Rentenversicherung einzahlen. Davon wird aber wiederum befreit, wer bis zum Juni nächsten Jahres, also 1999, nachweisen kann, daß er eine eigene Lebensversicherung abgeschlossen hat.

Das Problem sieht die Sprecherin der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Christiane Zerfaß, in den beschränkten Kontrollmöglichkeiten. Scheinselbständige würden in der Regel bestenfalls durch die üblichen Betriebsprüfungen erfaßt, es sei denn, sie klagen selbst bei ihrem Auftraggeber auf Festanstellung.

Daß diejenigen, die als Scheinselbständige arbeiten, in Zukunft zuhauf fürchten müssen, bei Inspektionen aufzufliegen, scheint allerdings unwahrscheinlich. Nach Angaben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) wird es für die Prüfung der Scheinselbständigkeit keine verstärkten Betriebskontrollen geben. Barbara Dribbusch

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