: Kräutergartenemanzipation
■ „Zauberhafte Schwestern“: Wieviel Anrecht haben Frauen, die mit einem eigenen Kopf gesegnet sind, auf eine stabile Zweierbeziehung?
Eine besondere Gabe ist den Frauen der Familie Owens in die Wiege gelegt: Sie haben übersinnliche Fähigkeiten. Sie wissen, welche Zauberformel gut gegen Liebesleid ist, welches Kraut stärkt und welches schwächt und wie man einen Toten zurück zu den Lebenden holt. Aber da ist auch ein Fluch, der auf den Frauen der Familie Owens lastet: Der Mann, den sie lieben, muß sterben. Deswegen leben sie seit Generationen in Patchworkfamilien; ein pittoreskes Haus auf einer pittoresken Insel ist Dreh- und Angelpunkt ihres Miniatur-Matriarchats. Ein bißchen Spukschloß hier, ein bißchen New Age dort, dazu etwas Landkommune und ein paar wallende Gewänder: Fertig ist die Kräutergartenemanzipation.
Was den Nachbarn gar nicht gefällt. Man wechselt die Straßenseite, wenn Tante Frances (Stockard Channing) und Tante Jet (Dianne Wiest) mit ihren Nichten durchs Dorf gehen; „Hexe, Hexe!“ skandieren die Kinder der Angepaßten, damit wir wissen, daß die bösen Geister der Diskriminierung nicht gebannt sind. Noch nicht – denn „Zauberhafte Schwestern“ (Regie: Griffin Dunne) will kein Problemfilm sein, sondern ein Märchen für die ganze Familie, und an dessen Ende steht bekanntlich die Versöhnung.
So gewichtig die Fragen also auch sein mögen, die der Film anschneidet – welche Differenzen kann und soll die Gemeinschaft anerkennen, wo hört die Toleranz auf, und wieviel Anrecht auf stabile Zweierbeziehungen haben Frauen, die mit einem eigenen Kopf gesegnet sind? –, so sicher ist der Kuß am Ende. Und „Zauberhafte Schwestern“ (Regie: Griffin Dunne) bietet den beiden Protagonistinnen Sally (Sandra Bullock) und Gillian (Nicole Kidman) noch mehr. Nicht nur, daß der Fluch von den Schwestern genommen wird, plötzlich erklären sich selbst die spießigsten Nachbarinnen mit ihnen solidarisch. Dunne inszeniert dies mit ähnlich großer Geste wie vor nicht allzu langer Zeit Frank Oz, der in seiner Coming-out-Komödie „In & Out“ eine ganze Aula voller Schüler verkünden läßt: „I am gay“, damit der als schwul diffamierte Lehrer die Sympathien auf seiner Seite weiß. In „Zauberhafte Schwestern“ ist es nun das Besenritual, bei dem die Dorfbewohnerinnen im Kollektiv entdecken: Ein bißchen Hexe schlummert auch in mir.
Wenn sich der Film hier als tapferer Streiter wider die Geißel der Intoleranz geriert, so verhindert dies nicht, daß an anderer Stelle die Vorurteile wuchern. Der einzige Schurke, Gillians gewalttätiger Geliebter Jimmy (Goran Visnjic), kommt bezeichnenderweise „irgendwo aus Transsylvanien“. Wenn er als Wiedergänger vor dem Fenster erscheint, dringt eine Prise Horror in Dunnes Film. „Zauberhafte Schwestern“ will alles sein: mal Frauenfilm, mal Gruselmärchen, mal romantische Komödie und mal Familiendrama. Ein bißchen viel für 103 Minuten. Cristina Nord
„Zauberhafte Schwestern“, Regie: Griffin Dunne. Mit Dianne Wiest, Sandra Bullock, Nicole Kidman u. a., USA 1998, 103 Min.
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