Erst Freisprüche, jetzt Verurteilungen im Fall Agyare

■ Der Überfall auf den Ghanaer trägt jugendlichen Skins teils Bußgelder, teils Freizeitstrafen ein

Potsdam (taz) – Wegen Volksverhetzung, vorsätzlicher Körperverletzung beziehungsweise Beihilfe dazu und Beleidigung hat das Landgericht Potsdam gestern in einem Berufungsverfahren fünf Skinheads verurteilt. Die Rechtsradikalen hatten im November vergangenen Jahres den ghanaischen Asylbewerber Martin Agyare in einem Regionalzug von Berlin nach Belzig südwestlich von Potsdam beleidigt, bedroht und geschlagen. Agyare war bereits 1994 Opfer eines Angriffs von Skins geworden, die ihn aus einem fahrenden S-Bahn-Zug geworfen hatten. Dabei hatte der Afrikaner ein Bein verloren.

Das Gericht befand, die Täter hätten „erhebliche Schuld“ auf sich geladen. Der 18jährige Hauptangeklagte wurde zu drei Wochen Dauerarrest sowie zur Zahlung von 1.000 Mark an die Regionale Arbeitsstelle für Ausländerfragen verurteilt. Auch im Fall der vier übrigen Angeklagten gab das Gericht der Berufung der Staatsanwaltschaft statt und hob die vorher ergangenen Freisprüche auf. Sie erhielten zwischen zwei Wochen Dauerarrest und Verwarnungen samt Geldauflage. Der Prozeß war das zweite Verfahren gegen die Rechtsradikalen in diesem Jahr. Vor dem Amtsgericht Potsdam waren vier der fünf Angeklagten freigesprochen worden.

Bei der Erläuterung des Berufungsurteils erklärte Richter Klaus Przybilla seinen „Unmut“ über das rüde Verhalten, das die Polizei am Tatort gegenüber Martin Agyare an den Tag gelegt habe, während die Angeklagten sogar „freundlich“ behandelt worden seien. Przybilla kritisierte zudem die Verhandlungsführung der ersten Instanz, also den Prozeß des Amtsgerichts. Es hätte drei „prozeßentscheidende Zeugen“ des Übergriffs anhören müssen, habe dies aber nicht getan. Martin Agyare zeigte sich befriedigt über das Urteil. Der Rechtsanwalt von einem der Verurteilten erwägt dagegen eine Revision vor dem Brandenburger Oberlandesgericht. Philipp Gessler