piwik no script img

Die Vergangenheit holt Walter Momper ein

■ ÖTV-Mitglieder kreideten Momper Fehler des rot-grünen Senats an. Böger kam besser weg

Einen leichten Stand hatten Walter Momper und Klaus Böger beide nicht, als sie am Mittwoch abend auf Einladung der ÖTV mit Beschäftigten der BVG, der Krankenhäuser und der Verwaltung diskutierten. Schon bei der Begrüßung der beiden Bewerber für die SPD-Spitzenkandidatur schlugen die Wogen hoch.

Die einführende Bemerkung der Moderatorin, der frühere Regierende Bürgermeister Walter Momper sei „aus dem Baugewerbe wieder aufgetaucht“, quittierten die etwa 70 ÖTV-Mitglieder mit Pfiffen und Gelächter. Aber auch der Hinweis, daß SPD- Fraktionschef Böger vor zwei Jahren SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing nach Berlin geholt habe, rief Unmutsbekundungen hervor. Böger war seitdem maßgeblich daran beteiligt, in der SPD Fugmann-Heesings Privatisierungskurs durchzusetzen. Doch offenbar werden ihm seine Bemühungen um sozialverträgliche Kompromisse zugute gehalten.

Momper schlug die blanke Ablehnung entgegen. Ein Busfahrer hielt ihm die „rot-grüne Lüge“ vor: „Sie waren damals mein Fahrgast. Sie haben vor der Wahl gesagt, die SPD macht keine Koalition mit den Grünen“, polterte er. Ein Personalrat erinnerte sich an das „Chaos im rot-grünen Senat“. „Das will ich nicht wieder erleben.“ Mompers unnachgiebige Haltung im Kita-Streik 1989/90 wurde ihm vorgehalten. Und sein jüngster Vorschlag, die überzähligen Kita-Erzieherinnen aus dem Ostteil der Stadt zu Finanzbeamtinnen umzuschulen, rief Protest hervor. Ein Personalrat der Finanzämter spottete, es könne nur im Interesse der Unternehmen sein, wenn solche angelernten Kräfte die Betriebsprüfungen durchführten.

Während die Gewerkschafter nach Bögers Rede anerkennend auf die Tische klopften, blieb es nach Mompers Beitrag still. Beide warben um Verständnis dafür, daß es angesichts der schwierigen Haushaltslage keine Alternative zur Fortsetzung der Privatisierungspolitik gebe. Die BVG müsse für den europäischen Wettbewerb fit gemacht werden. Berlin könne nicht darauf setzen, daß der Bund mit einer Finanzspritze helfe, waren sich die beiden einig.

Momper warb darum, daß die Gewerkschaften bei den Privatisierungen „gestaltend eingreifen“. Böger versicherte: „Es ist Auftrag der SPD dafür zu sorgen, daß die Gewerkschaften gehört werden.“ Dann fand der Unmut der Beschäftigten ein Ventil. Den stärksten Beifall erhielt ein Personalrat für die Bemerkung: „Ich habe noch nicht festgestellt, daß in dieser SPD Politik mit und für Arbeitnehmer gemacht wird.“ Dorothee Winden

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen