: Neuere Literatur zum Thema Pop
Thommi Herrwerth, Jahrgang 1949 und inzwischen Buchhändler in Mannheim, hatte während seiner Jugend Schwierigkeiten mit seinem Musikgeschmack. Seine Klassenkameraden mochten härtere Stoffe, er lieber Schlager. Sein Buch „Katze, Klo, Capri & Fischer“ ist eine unterhaltsame Geschichte über die deutschen Nachkriegsschlager. Unumwunden gibt Herrwerth, nicht erst heuchlerisch um Objektivität bemüht, seine Lieblinge zu erkennen. Manche Urteile klingen indes scharfrichterlich: Davon abgesehen, daß Roger Whittacker in der Tat schrecklicher ist als Geier Sturzflug, weiß der Autor nicht zu begründen, weshalb ihm die Interpreten des Schlagers „Bruttosozialprodukt“ eher am Herzen liegen. Schön illustriert ist der Band, verschenkenswert sowieso.
Manfred Hobsch ist ein großer Freund des Schlager- und Revuefilms. Der einstige Mitgründer der Berliner Stadtzeitschrift Zitty, knapp fünfzig Jahre alt, hat seine Passion zu einem schönen Buch verarbeitet, auf das Freunde der deutschen Filmkunst mit Neigung zum gesungenen Text lange gewartet haben: ein Schlagerfilmlexikon. Das Kompendium ist gesamtdeutsch angelegt, was bedeutet, daß auch das DDR-Werk (Frank Schöbel, Chris Doerk!) gewürdigt wird. Hervorragend.
Peter Wicke, 1951 geboren und damit einer Generation angehörig, die erst dafür sorgen mußte, daß Pop & Rock in den Kulturkanon aufgenommen wurden, hat eine Geschichte der Popmusik verfaßt. Der an der Humboldt- Uni wirkende Leiter des Forschungszentrums für populäre Musik hat einen verläßlichen, eher geizig illustrierten Überblick zum Thema verfaßt. Geeignet für Menschen mit Neigung zum Überblick. Ärgerlich nur, daß er seit Mozart nichts als wachsende Kommerzialisierung zu sehen vermag und dies für ein Übel hält – als ob durch ehrenamtliches Musizieren bessere Musik herauskäme.
1971 brachte der Rowohlt-Verlag sein erstes „Rocklexikon“ heraus. Es hatte Mängel, aber es war das erste seiner Art im deutschsprachigen Raum. Der eine der beiden Autoren, Barry Graves ist 1994 an Aids gestorben. Kürzlich ist eine erweiterte Ausgabe des Projekts publiziert worden – wofür Bernward Halbscheffel als Koautor neben Siegfried Schmidt-Joos zeichnet. Beide Teile taugen für den schnellen Blick zu vielen Musikstars aus dem Unterhaltungsgeschäft. Ungeklärt blieb indes: Was ist Rock? Was ist der Unterschied zum Pop? Sind Aretha Franklin und Barbra Streisand, beide im Lexikon vertreten, Rockerinnen – und warum fehlt dann Céline Dion? Wo sind die Punker aus den siebziger Jahren, wo die Technostars von heute? Ein voluminöses, überrasschungsloses, alles in allem dennoch lesbares Sammelsurium.
JaF
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