: Es darf nicht stören, wenn Leute miteinander reden
■ Soziale Stadtteilentwicklung soll Menschen wieder für ihr Lebensumfeld motivieren
Das Programm zur „sozialen Stadtteilentwicklung“ soll verhindern, daß Hamburger Stadtteile zu Slums werden oder eine solche Entwicklung rückgängig machen. Dabei kommt es dem Senat vor allem darauf bessere Lebensbedingungen für die Bewohner der gefährdeten Viertel zu schaffen und deren Kräfte zur Selbsthilfe zu stärken. Eine Reihe solcher Programme gibt es schon heute, und zum Teil sind sie erfolgreich angewandt worden, etwa in Kirchdorf-Süd oder in Heimfeld-Nord.
Auf Anregung des Landesrechnungshofs sind jetzt das Sanierungs-, Revitalisierungs- und Armutsbekämpfungsprogramm unter einem Dach zusammengefaßt worden. 50 Millionen Mark will allein die federführende Stadtentwicklungsbehörde (Steb) hierfür ausgeben – mehr als die Hälfte ihres Jahresetats für1999. Doch das meiste Geld soll aus den viel größeren Haushalten der anderen Behörden kommen, die gehalten sind, ihre Programme in die Stadtteilerneuerung einzuklinken. Das Programm sei vom Senat beschlossen worden, somit stehe jede Behörde in der Pflicht, betont Steb-Sprecherin Ina Klotzhuber.
Trotzdem rief die Frage der Mitarbeit anderer Behörden bei einer Expertenanhörung des Stadtplanungsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft im November Skepsis hervor. Von einem „Himmelfahrtskommando für die Steb“ sprach beispielsweise Reiner Schendel, der Geschäftsführer des alternativen Sanierungsträgers „Stattbau“. Die Verpflichtungen der anderen Fachbehörden seien viel zu unverbindlich formuliert worden.
Wie es funktionieren könnte, formulierte das ebenfalls kritische Planungsbüro „ASK Hassenstein & Pfadt“: Die Fachbehörden sollten das Geld, das sie in die soziale Stadtteilerneuerung steckten, als Investition in ihre eigenen Ziele begreifen. „Wenn Sie der Sozialsenatorin garantieren, Sie erzeugen mit ihrem Geld zehnmal soviele Arbeitsplätze – dann macht sie mit“, sekundierte Jürgen Hogeforster.
Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer richtete sein Hauptaugenmerk auf das Schaffen von Arbeitsplätzen, wozu sich besonders eine Förderung des Mittelstandes anbiete. Mit wenig Geld lasse sich hier viel Dauerhaftes bewirken: „Bei kleinen Firmen in einem Wohngebiet reicht Farbe für 100.000 Mark für eine Standortsicherung.“ Die komplizierten Verfahren der Bürgerbeteiligung, soHogeforster, seien aber viel zu aufwendig, als daß ein Gewerbetreibender daran teilnehmen könne.
Bei allem Bewußtsein für die Bedeutung von Arbeitsplätzen konnte sich Hogeforsters Position weder unter den Experten noch im Stadtplanungsausschuß durchsetzen. Stadtentwicklungssenator Willfried Maier (GAL) brachte es auf den Punkt: Die Vorlage ziele auf „empowerment“, das heißt auf „Leute, die ihre sozialen Aktivitäten eingestellt haben“. Für diese müßten Anlässe, sich einzuschalten geschaffen werden. Hogeforster habe das nicht erkannt, „weswegen er das Reden der Leute miteinander als störend empfand“, so der Senator. knö
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