Zuflucht gegen Arbeit

■ Dokumentation illustriert die Hamburger Flüchtlingspolitik in der Nachkriegszeit

In Zeiten knapper Arbeitsplätze bekommen hierzulande in der Regel diejenigen den Vorzug, die sich über den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit freuen können. Viele Flüchtlinge dürfen gar nicht arbeiten. Aber wenn die Lage auf dem Arbeitsmarkt kippt, wandern derlei Regelungen vielleicht schnell in die Schubladen der Bürokratie. Dann kann es gar einen Arbeitszwang für zugewanderte Flüchtlinge geben – wie 1945/46 in Hamburg, verrät die Dokumentation Die Flüchtlinge kommen von Evelyn Glensk, Rita Bake und Oliver von Wrochem, die jetzt in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für Politische Bildung im Ergebnisse-Verlag erschienen ist.

Noch vor Kriegsende gelangte die erste große Flüchtlingsbewegung nach Hamburg, unter ihnen die sogenannten Butenhamborger – evakuierte HamburgerInnen, die vor den Bombenangriffen aufs Land geflohen waren. An manchen Tagen beantragten Tausende eine Zuzugsgenehmigung in die zerstörte Hansestadt. Es mangelte an Nahrungsmitteln, Unterkünften und sanitären Einrichtungen. Um den „Zustrom“ zu stoppen, verhängte die britische Militärregierung eine strenge Zuzugssperre.

Doch bald zeigte sich, wie wichtig die Arbeitskraft der Flüchtlinge für den Wiederaufbau der zerstörten Hansestadt war. So wurde letzlich das Arbeitsamt zur entscheidenden Instanz, wenn es darum ging, den Zugewanderten eine Aufenthaltserlaubnis zu gewähren. „Arbeitsunlustige Personen“ wurden ausgewiesen.

Diese Dynamik setzte sich in der Wirtschaftspolitik der Nachkriegsjahre fort, analysiert Glensk im ersten Teil der Studie. Einen weiteren Aspekt haben die beiden Co-AutorInnen in Gesprächen mit ZeitzeugInnen untersucht: die psycho-soziale Integration der Flüchtlinge. Denn der Verlust des vertrauten sozialen Umfeldes mußte verarbeitet werden – wie auch die Diskriminierung von seiten einiger HamburgerInnen, die sich über die vermeintliche Privilegierung der Flüchtlinge gegenüber den ButenhamborgerInnen empörten. Diana Engel

E. Glensk, R. Bake, O. v. Wrochem: Die Flüchtlinge kommen. Landeszentrale für politische Bildung/ Ergebnisse-Verlag, 29,80 Mark