: Fußball auf die baskische Art
Athletic Bilbao zählt trotz seiner Politik, nur Spieler aus Euskadi zu verpflichten, auch nach dem Champions-League-Aus weiter zu Spaniens Spitzenteams ■ Aus Bilbao Joachim Quandt
Izmael Urzaiz hatte am Sonntag mehrfachen Grund zur Freude. Mit seinem Tor zum 1:0 bei Aufsteiger Villareal setzte sich der Stürmer allein an die Spitze der spanischen Torjägerliste (9 Treffer), und sein Verein Athletic Bilbao rückte auf den siebten Tabellenplatz der spanischen Fußball- Liga vor. Viel süßer wiegt jedoch, daß der baskischste aller baskischen Klubs damit wieder einmal vor den Erzrivalen FC Barcelona und Real Madrid steht. Im Jahr der Außenseiter auf der iberischen Halbinsel hat der Vizemeister der letzten Saison nach schwachem Start und dem sang- und klanglosen Ausscheiden in der Champions League wieder Anschluß zur Spitzengruppe gewonnen. Mit 23 Punkten liegt Bilbao zwar noch sechs Punkte hinter Spitzenreiter Mallorca, aber nur zwei Zähler hinter dem Tabellenzweiten Celta Vigo. Damit hat Athletic gute Aussichten, wenigstens im nächsten Jahr der Behauptung von Trainer Luis Fernández Nachdruck verleihen zu können, daß auch ein Verein, der einen „einmaligen Fall des Weltfußballs“ (L'Equipe) darstellt, in Europa mitzuhalten vermag.
Der französische Trainer betreut einen Klub, der auch im Zeitalter der Bosmanisierung nicht mitspielt bei der Jagd nach den internationalen Superstars, sondern ausschließlich baskische Spieler unter Vertrag nimmt. „Die Tatsache, daß alle Spieler hier aus Euskadi sind, fördert ein besonderes Gefühl. Hier ist logischerweise jeder Spieler bereit, ein bißchen mehr zu laufen“, sagt Julen Guerrero. Für den 25jährigen Mittelfeldregisseur ist der Nachteil, keine „billigen“ ausländischen Spieler zu haben, ein Vorteil, da sich die ganze Mannschaft sehr stark mit dem Klub und der Stadt identifiziere. Guerrero, der wiederholt lukrative Angebote aus Barcelona oder Madrid ausschlug, fühlt sich seinem Verein verpflichtet. „Seit ich acht Jahre alt bin, spiele ich hier, und man merkt, daß die Leute einen lieben.“ Allerdings ist er sich durchaus bewußt, daß das ganz große Geld woanders verdient wird, sagt aber: „Ich habe immer noch genug Zeit, woanders hinzugehen.“
Auch die Fans des Vereins identifizieren sich aufs engste mit der Vereinspolitik. So schrieb der Journalist der spanischen Tageszeitung El Pais und Athletic-Anhänger Patxi Unzueta in einem Buch zum hundertsten Geburtstag des Clubs in diesem Jahr: „Wenn wir dabei unsere Identität behalten, genießen wir die Qualifikation für den Uefacup, den fünften Platz, sehr viel mehr, als wenn der Präsident morgen in der Lotterie gewinnt und die ganze Mannschaft des AC Mailand kauft, mit der wir dann die Liga gewinnen.“ Und immerhin brachte es der Klub allein mit baskischen Spielern zu 23 Pokalsiegen, acht Meisterschaften und spielt seit 1929 ununterbrochen in der ersten Liga – ein Kunststück, das sonst nur dem FC Barcelona und Real Madrid gelang.
Als abschreckendes Beispiel haben die Basken das Schicksal des ehemaligen Erstligisten Sporting Gijón vor Augen, der seine Spieler ebenfalls nur aus dem eigenen Nachwuchs holte, bis ein neuer Trainer für viel Geld ausländische Spieler heranschleppte. Die Mannschaft stieg ab, die vermeintlichen Superstars verschwanden, und der Klub steht nun gar vor dem Abstieg aus der zweiten Liga.
In den vergangenen Jahren hat Athletic Bilbao seiner traditionalistischen Politik allerdings eine pragmatischere Ausrichtung gegeben. Beim Abwehrspieler Roberto Rios, der für 24 Millionen Mark von Betis Sevilla kam, zählte der Geburtsort Bilbao. Bei anderen Spielern, wie dem aus Rioja stammenden Santi Ezquerro, machte man geltend, daß sie in baskischen Jugendmannschaften ihre fußballerische Ausbildung bekamen. So war es möglich, auch die Kinder der Migranten, die in den 50er und 60er Jahren aus Kastillien oder Extremadura ins Baskenland gekommen waren, zu integrieren. Einige Verpflichtungen riefen allerdings auch große Polemik hervor. Als der heutige Bayern-Spieler Bixente Lizarazu, der aus dem französischen Baskenland stammt, in Bilbao einen Vertrag unterschrieb, titelte die rechte spanische Tageszeitung ABC: „Athletic bricht mit seiner Tradition.“
In der neuen spanischen Nationalmannschaft unter José Antonio Camacho bilden ausgerechnet die Spieler aus dem Baskenland das Herzstück. Kein Wunder, denn in keinem anderen Erstligaclub auf der iberischen Halbinsel haben annähernd so viele Spieler einen spanischen Paß wie bei Athletic und kommen zudem regelmäßig zum Einsatz.
Übrigens sah es der Verein nicht immer so eng mit der Herkunft seiner Spieler. Zum Eklat kam es im Jahr 1911 ausgerechnet im Derby gegen San Sebastián. Bei Athletic waren die Papiere von mehreren Engländern gefälscht worden, um diese als Einwohner Bilbaos auszuweisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen