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Die Psychedelik der Lavalampe Von Frank M. Ziegler

Die WG hat Weihnachtsgeschenke gekauft. Lauter unnützen Kram, wie immer. Ich bin sicher, ich werde wieder kiloweise blöde lila „Diddl, die Springmaus“-Produkte kriegen, weil meine Mitbewohner ja bekanntermaßen keinen Geschmack haben. Außer vielleicht Jochen.

Jochen ruft uns in sein Zimmer und zeigt uns eine Lavalampe. Die hat er gekauft, um sie seinen Eltern fürs Schlafzimmer zu schenken. Jetzt steht sie aber erst mal neben Jochens Bett. „Zum Ausprobieren“, wie er sagt; „geil, gell?!“ Jochen findet, Lavalampenlicht im Schlafzimmer „ist cool beim Poppen“. Heike findet: „Deine Eltern sind über 50! Die poppen nicht mehr, du Idiot!“ Darüber könnte man nun natürlich streiten, aber was Heike sagt, zweifelt man besser nicht an, sonst besteht sie plötzlich auf der Einhaltung des Putzplanes, und man muß das Bad schrubben und alle Haare aus dem Ausguß friemeln. Außerdem grinst Jochen jetzt vielsagend, und darum wissen wir, daß er die Lavalampe in Wirklichkeit natürlich für sich selber gekauft hat.

Das geht dann so, daß er sie seinen Eltern schenkt, und die Eltern sagen: „Oh, das ist aber schön, was ist das denn?“ Und dann sagt Jochen: „Das ist 'ne hypergeile Lavalampe, und wenn ich genug Geld hätte, würde ich mir endlich auch so eine kaufen, weil die schon immer mein größter Wunsch war.“ Und dann sagen Jochens Eltern: „Ach Junge, dann behalt sie doch! Wir brauchen doch sowas nicht.“ Und dann sagt Jochen: „Aber ich wollte sie euch doch schenken...“ Und am Ende hocken die Eltern im Dunkeln, und Jochen poppt beim Schein der Lavalampe, und alle sind glücklich.

Später kommt unsere Nachbarin Iris, die aus dem Hessischen stammt und Erzieherin gelernt hat. Die muß auch die Lavalampe angucken. „Ei, was kosten der Mist?“ fragt Iris. „109 Flocken“, sagt Jochen. „Ei, bistä noch zu redde, die kannste doch middemä Klumpe Wachs un einä leere Granini- Flasch selbä bastle!“ Aber Jochen ist natürlich Perfektionist, und neben SEIN Bett komme kein „selbstgebastelter Pädagogen- Scheiß“, sondern nur das „ORIGINAL“, wie er uns versichert. Das ORIGINAL sei nämlich von der britischen Firma „Mathmos“ und der Erfinder sei ein gewisser Edward Craven Walker. „Der war Airforce-Pilot und hat ganz viele Pilze gefressen und ist heute 80 Jahre alt und super senil!“ „Des wunnerd misch net“, wertet Iris den guten Herrn Walker ab. „Der ganze Kram is doch im höchste Grad psyschodelisch! Da wirste doch dumm von!“

Aber Jochen ist grade in Fahrt und erklärt jedem, der es nicht wissen will (uns nämlich), daß das „Pop-art“ sei und daß Walkers Lavalampe gerade ihr 35jähriges Jubiläum feiere und daß Mr. Walker sie damals in Anlehnung an eine spezielle Eieruhr aus dem Zweiten Weltkrieg konzipiert habe und daß wir alle keine Ahnung hätten und er spätestens in Januar bei uns ausziehen werde, weil wir alle dumm wie Grießbrei seien. Heike reagiert darauf mit einem unheilvollen Starren auf unseren Putzplan an der Flurwand. Iris droht mit Einbehaltung all unserer Weihnachtsgeschenke („Fahrradschlössä von Diddl, die Schpringmaus! – die sin nämlisch aach Popard!“), wenn er sich nicht sofort entschuldige. Aber Jochen hat schon wieder diesen fanatischen Blick drauf und kennt kein Halten mehr: „Ihr seid voll out, ey, echt! Ihr müßtet euch samstags bloß mal ,The Dome‘ auf RTL2 angucken! Da stehen die Lampen die ganze Bühne entlang! Und in Kultfilmen wie ,Dr. Who‘ waren die mit das wichtigste Requisit!“ „Doktä wer??“ „Who! Du hessische Null!!“...

Iris ist dann gegangen und hat mit unseren „Diddl, die Springmaus“-Fahrradschlössern Jochens Mountainbike an die Regenrinne geschlossen und die Schlüssel ins Klo geschmissen. Jochen hat unter Heikes Aufsicht das Bad geputzt. Und ich hab' mir den neuen Mathmos-„Space-Projektor“ gekauft. Der kann rotierende psychedelische Ölfließgebilde an die Schlafzimmerwand projizieren, und da kann man dann stundenlang draufglotzen. Den schenk' ich morgen meinen Eltern. So ein Ding wollte ich immer schon haben...

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