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Die gute alte Geschichte von Bohemia

■ „House of the Rising Punk“: Als Szenefilm besser als „Studio 54“ oder ähnliches (21 Uhr, 3sat)

Richard Hell kam aus einem Nest in Kentucky, Patti Smith aus einer „Gegend, wo man angepöbelt wurde, wenn man nur ungekämmt rumlief“, und Tom Verlaine bringt die große New Yorker Freiheit auf den Punkt: „Niemand kümmerte sich dort einen Scheiß um das, was man macht.“

Es ist die gute alte Geschichte von Bohemia, die Christoph Dreher in seinem Dokumentarfilm „House Of The Rising Punk“ erzählt, von den Kindern der Suburbs, die einer sich Anfang der 70er in New York formierenden Szene Wort und Selbstverständnis gaben, die Jahre bevor die Sex Pistols die Welt mit drei Akkorden und fünf Sicherheitsnadeln eroberten, die Blaupause für Punk abgab.

„House Of The Rising Punk“ kommt als Szenefilm besser als die opulenten Spielfilme „Velvet Goldmine“ und „Studio 54“, deren Sujets Glamrock und Disco als Erzählweise nicht so recht funktionieren wollen. Da erinnert sich Dee Dee Ramone, daß er eigentlich nie wußte, „was eine Strophe oder ein Refrain ist“. Da erfährt man, daß Blondie als Flygirl überall dabei war und mit ihrem Ford- Mustang-Cabrio immer die Jungs nach Hause gefahren hat, und da sitzt Jim Jarmusch an der Theke des CBGBs und erzählt, wie aufregend es war, „auf etwas zu stoßen, das wirklich Subkultur war“.

Für sie alle war das CBGBs ihr Studio 54, eine Kneipe in der Bowery, die Richard Hell und Tom Verlaine entdeckten und zu Auftrittsort, Kreativzelle und Wohnzimmer umfunktionierten. „Hier konnte man mit Musikern über Filme sprechen, mit bildenden Künstlern über Musik“ (Jim Jarmusch), und hier war von „Punk“ erst die Rede, als „überall diese Punk-is-coming-Sticker rumlagen“ und Legs McNeal der Szene mit seinem Punk-Magazine einen (ungewollten) Namen gab.

Es ging darum, „die 60er auszulöschen“ (Iggy Pop), den Stadion- und Bombastrock zu zerstören, und „wenn da eine Band wie America ,Ich zog durch die Wüste auf meinem Pferd und fühle mich gut' sang, war das nicht unsere Welt“ (Legs McNeal) – was Suicides Alan Vega hübsch auf den Punkt zu bringen weiß: „Wir wollten nicht unterhalten, die Leute sollten reinkommen, und da sollte es noch schlimmer zugehen als draußen!“

Mit Interviews, Kamerafahrten durchs CBGBs und die Bowery und alten Archivaufnahmen läßt Dreher diese Underground-Zeit noch einmal Revue passieren, eine Zeit, die zu Ende war, als die Sex Pistols aus ihrem Modeladen krochen. Im Rückblick meckern dann alle ein bißchen, von wegen wir waren die ersten, da konstruiert man eine Art Dolchstoßlegende, von der nur Patti Smith ganz unmelancholisch nichts wissen will: „Mit Szenen ist es wie mit Menschen, irgendwann gehen alle getrennte Wege, und das ist gut so.“

Was an Drehers Film etwas stört, ist der oberlehrerhafte Bogen, den er am Ende noch vom New Yorker Punk zu Nirvana schlägt. Das mag richtig sein, ist aber etwas viel popkulturell-pädagogischer Goodwill. Und wenn Legs McNeal dann noch sagt: „Du darfst nicht der erste sein in einem Land wie Amerika, da verdienst du keine müde Mark“, dann klingt das unangemessen verbittert und stimmt auch nur zum Teil: Die Ramones, Blondie oder die Talking Heads und auch Filmemacher wie Jim Jarmusch und Amos Poe sind später doch einigermaßen berühmt und sicher auch ein wenig reich geworden. Gerrit Bartels

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