: Kreuzberg lockt mit einem interaktiven Stadtplan
■ Auf einer Luftbildkarte von Kreuzberg im Internet kann nun jeder an der richtigen Stelle die richtige Botschaft setzen: Vom Gruß an die Oma bis zum kommerziellen Angebot und dem Chat im eigenen Haus
Der Cursor fährt über eine Luftbildaufnahme der südlichen Friedrichstraße und Umgebung. Plötzlich erscheint ein Eintrag unter der Karte: „Ist das der Blumengroßmarkt? Vielleicht kann mal ein Ortskundiger einen Pixel hinterlassen.“
Seit drei Wochen haben die rund 150.000 Kreuzberger kostenlos die Möglichkeit, Informationen über sich und ihren Bezirk ins Internet zu stellen. Im Rahmen der Homepage „Kreuzberg Online“, einem Dienst des Bezirksamts, können so nicht nur Straßen und Gebäude, sondern vor allem auch die eigene Wohnung oder Firma gekennzeichnet werden. Mit der Maus wird der entsprechende Bildpunkt („Pixel“) auf einer der 18 verschiedenen Luftbildaufnahmen von Kreuzberg markiert. Dann kann ein Eintrag vorgenommen werden. „Ich interessiere mich für Kino, aber weniger für Vogelkunde“, erfahren wir auf diesem Wege von Christina Pohle auf Kartenausschnitt 12. Außerdem besteht die Möglichkeit, eine E-Mail-Adresse oder einen Link zur eigenen Homepage zu hinterlassen.
Auf insgesamt 3,7 Millionen Bildpunkten können sich die Kreuzberger im Cyber-Bezirk austoben. „140 Pixel sind bereits belegt“, sagt Thomas Schweer. Der 40jährige ist geschäftsführender Gesellschafter der Agentur „ID Praxis“. Sie betreibt den Internetdienst „Kreuzberg Online“ für das Bezirksamt und entwickelte die Idee für das Pixel-Projekt.
Die Themenpalette der markierten Pixel im virtuellen Kreuzberg reicht vom Checkpoint Charlie bis zu privaten Gesuchen nach Manga-Comics. Nicht nur das Finanzamt Kreuzberg wurde eingetragen, sondern auch Hinweise wie „Dieter und Gerd wohnen hier seit 1981“. Rätselhaft sind Bildpunkte, die mit Namen wie „Theo Fußball“ oder „Bruno Bratarsch“ gekennzeichnet sind. Spaßeinträge sind erlaubt, doch auch im Netz-Bezirk gibt es Grenzen. „Sexistische Inhalte werden herausgenommen“, sagt Schweer. Bis jetzt sei aber keinerlei Zensur notwendig geworden. Lediglich sinnlose Test-Einträge mußten ihren Pixel wieder räumen.
Wer seine Nachbarn nie persönlich trifft, kann sie über Kreuzberg Online näher kennenlernen. „Es ist möglich, daß in einem abgebildeten Haus dreißig bis vierzig Mietparteien Platz für Einträge finden“, erzählt Thomas Schweer. Demnächst soll es auch möglich sein, direkt von belegten Pixeln aus E-Mail-Fenster zu öffnen, um mit den entsprechenden Kreuzbergern kommunizieren zu können.
Wer wirklich alle Informationen auf den Karten entdecken will, braucht derzeit allerdings noch viel Geduld und ein ruhiges Händchen. Ortsunkundigen dürfte es zudem schwerfallen, sich auf den Schwarzweiß-Luftaufnahmen zu orientieren. Künftig sollen jedoch technische Details verbessert und der Service um eine Abfrageoberfläche erweitert werden. Sie wird es spätestens ab kommenden März möglich machen, die Kreuzbergkarten nach Suchbegriffen zu durchforsten. So können beispielsweise gezielt Architekturbüros oder Kreuzberger mit ausgefallenen Hobbies aufgespürt werden.
Iris Krumrei
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