piwik no script img

Das Stigma der Gewalt

■ Der Mord von Tonndorf: Das Symbol für die angebliche Kapitulation vor der behaupteten Jugendkriminalität

Was im vorigen Jahr der Stadtteil Neuwiedenthal, war 1998 Tonn-dorf: das Sinnbild für Jugendkriminalität in Hamburg. Ende Juni ermordeten zwei 16jährige den Tonndorfer Lebensmittelhändler Willy Dabelstein. Um die Mittagszeit kamen sie in sein Feinkostgeschäft, nahmen ein paar Mark aus der Kasse und stachen mit dem Messer zu.

Der Fall stand fortan nicht nur für die Brutalisierung der Jugend, sondern auch für die angebliche Kapitulation der Justiz vor diesem Problem. Den Gerichten wurde nachgesagt, „Täterschutz“ zu betreiben. Denn die beiden 16jährigen hatten zuvor schon eine ganze Palette an Straftaten begangen. Dennoch waren sie drei Tage vor dem Raubmord aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Fortan wurde der Fall so behandelt, als entscheide sich an seinem Beispiel, ob die Justiz künftig mehr die Opfer oder die Täter ins Visier nehmen wird.

Die Politik reagierte prompt. Dem Ruf nach geschlossenen Jugendheimen folgte der rot-grüne Senat zwar nicht. Er eröffnete aber zwei neue Einrichtungen, in denen straffällige Jugendliche rund um die Uhr intensiv betreut werden.

Als Ende November der Prozeß gegen die beiden Täter eröffnet wurde, ignorierten viele JournalistInnen, daß in Jugendverfahren die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. Dadurch soll ermöglicht werden, „erzieherisch“ auf die jungen Täter einwirken zu können. Doch ReporterInnen lauerten auf den Gerichtsfluren ZeugInnen auf, um diese befragen zu können, was hinter verschlossenen Türen geschieht: „Das Stigma der brutalen Mörder haben die doch sowieso schon“, brachte es ein Journalist auf den Punkt. Elke Spanner

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen